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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Ton: »Ich bin auch Mitglied des ANC.« Er habe an der Mißachtungskampagne von 1952 teilgenommen und in Port Elizabeth in verschiedenen lokalen Komitees mitgearbeitet. Ich befragte ihn nach verschiedenen Persönlichkeiten, die er sämtlich zu kennen schien, und später in Port Elizabeth bestätigte sich, daß er die Wahrheit sagte. In der Tat war er von denen, die während der Mißachtungskampagne ins Gefängnis kamen, einer der Zuverlässigsten gewesen. Die Tore des Befreiungskampfes stehen allen offen, die sich entschließen, durch sie hindurchzugehen.
    Als Anwalt mit ziemlich vielen Kriminalfällen war ich mit solchen Geschichten wohlvertraut. Immer und immer wieder erlebte ich, daß Männer von der Intelligenz und der Begabung meines Reisegefährten Verbrechen begangen, um überhaupt leben zu können. Ich glaube zwar, daß bestimmte Individuen zu Verbrechen neigen aufgrund ihres genetischen Erbes oder einer brutalen Erziehung, doch bin ich davon überzeugt, daß die Apartheid viele Menschen, die normalerweise die Gesetze respektierten, zu Kriminellen machte. Es ist ja nur folgerichtig, daß ein unmoralisches und ungerechtes Rechtssystem Verachtung erzeugt für seine eigenen Gesetze und Regulationen.
    Wir erreichten Port Elizabeth bei Sonnenuntergang, und Joe Matthews, Z. K. Matthews’ Sohn, sorgte für Quartiere. Am nächsten Morgen traf ich mich mit Raymond Mhlaba, Frances Baard und Govan Mbeki, dem ich zum erstenmal begegnete. Ich kannte sein Werk, denn als Student hatte ich sein Büchlein »The Transkei in the Making« gelesen. Er hatte in der Transkei einen kooperativen Laden betrieben, den er jedoch bald aufgab, um Redakteur des Wochenblattes New Age zu werden. Govan wirkte ernst und gedankenvoll, ein Mann von leisen Tönen, der in der Welt der Gelehrsamkeit und des politischen Aktivismus gleichermaßen zu Hause war. Er hatte sich eingehend mit der Planung des Volkskongresses befaßt und sollte in die höchsten Führungsränge in der Organisation aufsteigen.
    Am späten Vormittag fuhr ich in Richtung Kapstadt, diesmal nur mit meinem Radio als Gesellschaft. Ich war zuvor noch nie auf den Straßen zwischen Port Elizabeth und Kapstadt gefahren und freute mich auf die vielen Meilen bezaubernder Szenerie. Es war heiß, und zu beiden Seiten der Straße stand dichte Vegetation. Ich hatte die Stadt kaum hinter mir gelassen, als ich eine große, über die Straße gleitende Schlange überfuhr. Ich bin nicht abergläubisch und glaube nicht an Vorzeichen, doch der Tod der Schlange erfüllte mich mit Mißbehagen. Ich mag nichts Lebendiges töten, nicht einmal eines jener Lebewesen, die manche Menschen in Schrecken versetzen.
    Nachdem ich Humansdorp hinter mir gelassen hatte, wurden die Wälder dichter, und zum erstenmal in meinem Leben sah ich wilde Elefanten und Paviane. Vor mir überquerte ein großer Pavian die Straße, und ich hielt an. Er blieb stehen und starrte mich so intensiv an, als sei ich ein Detektiv von der Special Branch. Es war schon Ironie, daß ich, ein Afrikaner, zum erstenmal das Afrika der Märchenbücher und Legenden sah. Solch ein wunderschönes Land, dachte ich, und samt und sonders außer Reichweite, Eigentum der Weißen und unberührbar für einen schwarzen Mann. In solcher Schönheit zu leben war für mich genauso fernab wie die Wahl ins Parlament.
    Wo auch immer ein Freiheitskämpfer sich aufhält, aufrührerische Gedanken sind seine ständigen Begleiter. Ich hielt in der Stadt Kuysua, über 150 Kilometer westlich von Port Elizabeth, um mir die Umgebung anzuschauen. Die Straße oberhalb der Stadt bietet eine panoramaartige Sicht über die Landschaft. In allen Richtungen dehnte sich dichter Wald, doch dachte ich nicht an die grüne Vegetation, sondern daran, daß es hier viele Plätze gab, wo eine Guerilla-Armee unentdeckt leben und trainieren konnte.
    Gegen Mitternacht traf ich in Kapstadt ein, wo ich dann zwei Wochen lang bleiben sollte. Ich wohnte bei Reverend Walter Teka, einem führenden Vertreter der Methodist Church, doch den größten Teil meiner Tage verbrachte ich mit Johnson Ngwevela und Greenwood Ngotyana. Ngwevela war der Vorsitzende des ANC der westlichen Kapregion, Ngotyana Mitglied der Exekutive. Beide waren sowohl Kommunisten als auch führende Mitglieder der Wesleyan Church. Ich fuhr jeden Tag umher und traf mich mit ANC-Funktionären an Orten wie Worcester, Paarl, Stellenbosch, Simonstown und Hermanus. Ich hatte die Absicht, an jedem Tag meines Aufenthalts zu arbeiten, und

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