Der lange Weg zur Freiheit
blieb, was ich auch tat. Auf der Rückfahrt nach Johannesburg kam ich gut voran und traf unmittelbar vor dem Abendessen zu Hause ein, wo mich meine Kinder mit aufgeregten Rufen empfingen; sie wußten natürlich sehr gut, daß Vater Geschenke mitbrachte. Stück für Stück verteilte ich, was ich in Kapstadt für sie gekauft hatte, und beantwortete geduldig ihre Fragen über meine Reise. Ein Erholungsurlaub war das zwar nicht gewesen, doch die Wirkung war die gleiche: Ich fühlte mich verjüngt und bereit, den Kampf wieder aufzunehmen.
Gleichnach meiner Rückkehr berichtete ich dem Arbeitskomitee des ANC von meiner Reise. Die Hauptsorge dort war, ob die Congress Alliance stark genug sein würde, um den Plänen der Regierung Einhalt zu gebieten. Was ich zu berichten hatte, war wenig positiv. Die Transkei sei kein wohlorganisiertes ANC-Gebiet, und die Kräfte der Sicherheitspolizei würden den geringen Einfluß, den der ANC besaß, schon bald lähmen.
Ich schlug eine Alternative vor, von der ich wußte, daß sie unpopulär sein würde. Warum sollte der ANC nicht an den neuen Bantu-Authorities-Strukturen partizipieren, um auf diese Weise mit der Masse der Menschen in Verbindung zu bleiben? Im Laufe der Zeit könne eine solche Partizipation zu einer Plattform für unsere eigenen Ideen und politischen Ziele werden.
Jeder Vorschlag, an Apartheidsstrukturen zu partizipieren, stieß automatisch auf wütende Opposition. Früher einmal würde auch ich die heftigsten Einwände erhoben haben. Doch nach meinem Gefühl waren im Land nur relativ wenige Menschen bereit, Opfer zu bringen und am Kampf teilzunehmen. Wir sollten, meinte ich, den Menschen zu ihren eigenen Bedingungen begegnen, selbst wenn das nach Kollaboration aussah. Nach meiner Vorstellung sollte unsere Bewegung ein großes Zelt sein, das so viele Menschen miteinbezog wie nur möglich.
Zu diesen Zeitpunkt fand mein Bericht nur kurzfristige Resonanz, weil ein anderer Bericht zum Thema von größerer Tragweite erschienen war. Die Publikation des Berichts der Tomlinson Commission für die sozio-ökonomische Entwicklung der Bantugebiete hatte eine landesweite Debatte ausgelöst. Die von der Regierung eingesetzte Kommission stellte einen Entwicklungsplan für die sogenannten Bantu-Areas oder Bantustans vor. Das Ergebnis war de facto ein Modell für die »separate Entwicklung« oder »Grand Apartheid« – die große Apartheid.
Das Bantustansystem hatte Dr. H. F. Verwoerd, Minister of Native Affairs, entworfen, um die internationale Kritik an der Rassenpolitik zum Verstummen zu bringen und gleichzeitig die Apartheid zu institutionalisieren. Die Bantustans oder Reservate, wie sie manchmal genannt wurden, sollten separate ethnische Enklaven oder Homelands für alle afrikanischen Bürger sein. Afrikaner, sagte Verwoerd, »sollten mit beiden Füßen in den Reservaten stehen«, wo sie sich »gemäß ihren Eigenarten entwickeln sollten«. Die Idee war, den Status quo, der drei Millionen Weißen 87 Prozent des Landes zuwies und die acht Millionen Afrikaner auf die verbleibenden 13 Prozent beschränkte, zu erhalten.
Zentrales Thema des Berichts war die Zurückweisung der Vorstellung von der Rassenintegration zugunsten einer Politik der getrennten Entwicklung von Schwarz und Weiß. Zu diesem Zweck empfahl der Bericht die Industrialisierung der afrikanischen Gebiete, wobei er anmerkte, daß jedes Entwicklungsprogramm, das nicht zum Ziel hatte, Afrikaner in eigenen Regionen Lebensmöglichkeiten zu geben, zum Scheitern verurteilt sei. Die Kommission betonte, die gegenwärtige geographische Konfiguration der afrikanischen Gebiete sei zu fragmentarisch, und empfahl statt dessen die Konsolidierung afrikanischer Gebiete zu dem, was man die sieben »historisch-logischen« Homelands der ethnischen Hauptgruppen nannte.
Die Schaffung einzelner, selbständiger Bantustans, wie von der Kommission vorgeschlagen, war eine Farce. Die Transkei, das Musterstück des vorgeschlagenen Homelandsystems, sollte in drei getrennte geographische Blöcke aufgeteilt werden. Die Swazi Bantustan, Lebowa und Venda bestanden aus jeweils drei Teilen; Gazankule aus vier, die Ciskei aus 17, Bophuthatswana aus 19 und KwaZulu aus 29. Die Nationalisten verformten das Leben unserer Menschen zu einem grausamen Verwirrspiel.
Die Absicht der Regierung bei der Schaffung des Homelandsystems bestand darin, die Transkei – und andere afrikanische Gebiete – als Reservoirs billiger Arbeitskräfte für die
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