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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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werde, würde das gesamte Verteidigerteam den Gerichtssaal verlassen. Nach einer kurzen Pause entschied der Magistrate, der Käfig solle abgebaut werden; inzwischen wurde bereits die Vorderseite entfernt.
    Erst jetzt begann der Staat seine Sache vorzubringen. Der Chefankläger, Mr. Van Niekerk, begann, Teile einer 18000 Worte umfassenden Schrift zu verlesen, in der die Anklage der Krone umrissen wurde. Im Lärm der Rufe und des Gesangs, der von draußen hereindrang, war er trotz Lautsprecher kaum zu verstehen, und irgendwann stürzte eine Gruppe von Polizisten hinaus. Wir hörten einen Revolverschuß, dann Rufe und weitere Schüsse. Das Gericht vertagte sich, und der Magistrate rief die Anwälte zu sich. 20 Menschen waren verletzt worden.
    Die Verlesung der Anklage wurde während der beiden folgenden Tage fortgesetzt. Van Niekerk erklärte, er werde dem Gericht beweisen, daß die Angeklagten mit der Hilfe aus anderen Ländern planten, die gegenwärtige Regierung gewaltsam zu stürzen und in Südafrika eine kommunistische Regierung zu bilden. Das war Anklage wegen Hochverrats. Der Staat behauptete, die Freiheits-Charta beweise sowohl unsere kommunistischen Absichten wie auch unser Komplott, die gegenwärtige Regierung zu stürzen. Am dritten Tag war der Käfig zum großen Teil abgebaut.
    Schließlich, am vierten Tag, wurden wir gegen Kaution freigelassen. Die Kautionssumme war gleichfalls ein Beispiel für die gleitende Skala der Apartheid: 250 Pfund für Weiße, 100 für Inder und 25 für Afrikaner und Farbige. Nicht einmal der Hochverrat war farbenblind. Wohlmeinende aus allen Schichten meldeten sich, um für jeden der Angeklagten die Kaution zu garantieren, Gesten der Unterstützung, die später zur Grundlage für den Treason Trial Defense Fund (Fonds zur Verteidigung bei Hochverratsprozessen) werden sollten, den Bishop Reeves, Alan Paton und Alex Hepple ins Leben riefen. Der Fonds wurde während des Prozesses von Mary Benson und anschließend von Freda Levson mit Geschick verwaltet. Wir wurden freigelassen, mußten uns allerdings einmal in der Woche bei der Polizei melden und durften nicht an öffentlichen Versammlungen teilnehmen. Das Gericht wollte Anfang Januar wieder zusammentreten. Am nächsten Tag war ich früh und frohgemut in meinem Büro. Oliver und ich waren beide im Gefängnis gewesen, und inzwischen stapelten sich bei uns die unerledigten Fälle. Während ich an jenem Morgen zu arbeiten versuchte, besuchte mich ein alter Freund namens Jabavu, ein professioneller Dolmetscher, den ich mehrere Monate lang nicht gesehen hatte. Ich hatte vor meiner Verhaftung absichtlich mein Gewicht reduziert, weil ich einen Gefängnisaufenthalt voraussah, bei dem es ratsam war, schlank zu sein und mit wenig überleben zu können. Im Gefängnis hatte ich meine Übungen fortgesetzt und war jetzt recht froh, so rank zu sein. Aber Jabavu beäugte mich mißtrauisch. »Madiba«, sagte er, »warum mußt du so dünn aussehen?« In afrikanischen Kulturen wird Beleibtheit oft mit Reichtum und Wohlergehen assoziiert. Er platzte heraus: »Mann, du hattest Angst vorm Gefängnis, das ist alles. Du hast uns Xhosas Schande bereitet!«
     
     
    Bereitsvor dem Prozeß zeigte meine Ehe mit Evelyn Auflösungserscheinungen. 1953 hatte Evelyn sich entschlossen, ihr allgemeines Schwesterndiplom aufzubessern. Sie meldete sich zu einem Geburtshilfekurs im King Edward VII Hospital in Durban an, was hieß, daß sie mehrere Monate lang nicht zu Hause sein würde. Dies war möglich, weil meine Mutter und meine Schwester bei uns wohnten und sich um die Kinder kümmern konnten. Während ihres Aufenthalts in Durban besuchte ich sie zumindest einmal.
    Nach ihren Prüfungen kehrte Evelyn zurück. Sie wurde wieder schwanger, und im selben Jahr gebar sie Makaziwe, benannt nach der Tochter, die wir sechs Jahre zuvor verloren hatten. In unserer Kultur einem neuen Kind den Namen eines verstorbenen zu geben gilt als ein ehrendes Andenken und bewahrt eine mystische Verbindung mit dem Kind, das zu früh davongegangen ist.
    Im Laufe des nächsten Jahres entwickelte Evelyn eine Beziehung zur Wachtturm-Organisation Zeugen Jehovas. Ob eine gewisse Unzufriedenheit mit ihrem damaligen Leben der Grund dafür war, weiß ich nicht. Die Zeugen Jehovas nahmen die Bibel zum einzigen Maßstab des Glaubens und glaubten an ein kommendes Harmagedon zwischen Gut und Böse. Voll Eifer begann Evelyn die Schrift »Der Wachtturm« zu verbreiten, und sie versuchte, auch mich zu

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