Der lange Weg zur Freiheit
die Ideen und Überzeugungen, die in dieser Charta ihren Ausdruck finden, zwar der Politik der gegenwärtigen Regierung widersprechen mögen, jedoch solche sind, wie sie von der überwältigenden Mehrheit der Menschheit aller Rassen und Farben geteilt werden, auch von der überwältigenden Mehrheit der Bürger dieses Landes.« Bei der Beratung mit unseren Anwälten hatten wir beschlossen, nicht nur beweisen zu wollen, daß wir des Hochverrats nicht schuldig waren, sondern daß dies ein politischer Prozeß war, in dem die Regierung uns für Handlungen verfolgte, die moralisch gerechtfertigt waren.
Doch den dramatischen Eingangsworten folgte die langwierige Gerichtsprozedur. Während des ersten Prozeßmonats legte die Anklage ihr Beweismaterial vor. Stück für Stück wurde jedes Papier, Pamphlet, Dokument, Buch, Magazin und jeder Zeitungsausschnitt, den die Polizei während der letzten drei Jahre ihrer Durchsuchungen zusammengetragen hatte, nunmehr eingebracht und numeriert; 12000 insgesamt. Das Material reichte von der Menschenrechtserklärung bis zu einem russischen Kochbuch. Als Beweisstück vorgelegt wurden sogar die beiden Schilder vom Volkskongreß: »Suppe mit Fleisch« und »Suppe ohne Fleisch«.
Während der Voruntersuchung, die Monate dauern sollte, hörten wir Tag für Tag, wie schwarze und weiße Detectives ihre Notizen verlasen, die sie sich von ANC-Treffen gemacht hatten, oder auch mitgeschriebene Reden. Diese Berichte waren stets bruchstückhaft und oft völlig unsinnig oder schlankweg falsch. Berrange zeigte später bei seinem geschickten Kreuzverhör, daß viele der afrikanischen Detectives Englisch, die Sprache, in der die Reden gehalten wurden, weder verstehen noch schreiben konnten.
Um ihre außergewöhnliche Anschuldigung zu stützen, daß wir beabsichtigten, die gegenwärtige Regierung durch ein System sowjetischen Stils zu ersetzen, baute die Krone auf Professor Andrew Murray, den Leiter der Abteilung für Politische Wissenschaften an der Universität von Kapstadt. Murray bezeichnete viele der bei uns beschlagnahmten Dokumente, darunter auch die Freiheits-Charta, als kommunistisch.
Zu Anfang wirkte Professor Murray relativ beschlagen; bis ihn dann Berrange ins Kreuzverhör nahm. Berrange erklärte, er werde Murray eine Anzahl von Passagen aus verschiedenen Dokumenten vorlesen, die Murray dann als kommunistisch oder nicht kommunistisch einstufen solle. Die erste Passage, die Berrange vorlas, betraf die Notwendigkeit, daß gewöhnliche Arbeiter miteinander kooperierten und sich nicht gegenseitig ausbeuteten. Kommunistisch, sagte Murray. Berrange merkte an, daß die Erklärung von dem früheren Premierminister von Südafrika, Dr. Malan, stammte. Berrange las zwei weitere Statements vor, die Professor Murray gleichfalls als kommunistisch bezeichnete. Diesmal handelte es sich um Passagen, die tatsächlich zwei amerikanische Präsidenten von sich gegeben hatten: Abraham Lincoln und Woodrow Wilson. Der Höhepunkt war erreicht, als Berrange eine Passage vorlas, die der Professor ohne Zögern als »von Grund auf kommunistisch« bezeichnete. Berrange gab dann bekannt, daß es sich um eine Erklärung handelte, die Professor Murray selbst in den dreißiger Jahren niedergeschrieben hatte.
Im siebten Prozeßmonat kündigte die Anklage an, sie werde Beweise dafür vorlegen, daß Gewalttätigkeiten, die sich während der Mißachtungskampagne ereignet hätten, geplant worden seien. Der Staat rief seinen ersten Starzeugen auf, Solomon Ngubase, dessen sensationelle Aussage den ANC zu belasten schien. Ngubase war ein Mann Ende Dreißig, mit sanfter Stimme, der Englisch nicht sehr gut beherrschte und damals eine Gefängnisstrafe wegen Betrugs absaß. In seiner Eingangserklärung behauptete er, daß er in Fort Hare den Grad eines Bachelor of Arts erworben hätte und praktizierender Rechtsanwalt sei. Er sei Sekretär der Ortsgruppe des ANC in Port Elizabeth geworden und auch Mitglied des Nationalen Exekutivkomitees. Er behauptete, bei einem Treffen der Nationalen Exekutive anwesend gewesen zu sein, als die Entscheidung getroffen worden sei, Walter Sisulu und David Bopape in die Sowjetunion zu entsenden, um Waffen für eine gewaltsame Revolution in Südafrika zu beschaffen. Er sei auch bei einem Treffen dabeigewesen, bei dem die Unruhen in Port Elizabeth von 1952 geplant worden seien; und er sei Zeuge gewesen, wie der ANC beschlossen habe, alle Weißen in der Transkei zu ermorden, auf die gleiche Weise, wie der
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