Der lange Weg zur Freiheit
Evelyn vertraute sich Albertina an. An einem Punkt mischte sich kalter in die Angelegenheit ein, und ich war sehr schroff zu ihm, erklärte, die Sache ginge ihn nichts an. Ich bedauerte den Ton, den ich ihm gegenüber anschlug, denn Walter ist mir immer ein Bruder gewesen, und er hat in seiner Freundschaft und Hilfsbereitschaft niemals geschwankt.
Walter sagte mir eines Tages, er wolle jemanden zum Büro mitbringen, den ich unbedingt sprechen solle. Was er mir nicht verriet, war, daß dies mein Schwager war. Ich war zwar überrascht, doch es war mir keineswegs unangenehm, ihn zu sehen. Ich war pessimistisch, was meine Ehe betraf, und meinte, es sei nur fair, ihm meine Gefühle mitzuteilen.
Wir sprachen zu dritt freundschaftlich über das Thema, als entweder Walter oder ich eine Formulierung gebrauchte wie »Männer wie wir« oder irgend etwas in der Art. Evelyns Bruder war Geschäftsmann, der für Politik und Politiker nicht viel übrig hatte. Plötzlich wurde er sehr hochfahrend und meinte: »Wenn ihr Burschen glaubt, ihr seid in der gleichen Position wie ich, dann ist das lächerlich. Vergleicht euch nicht mit mir.« Nachdem er gegangen war, sahen Walter und ich einander an und platzten laut lachend heraus.
Als wir im Dezember verhaftet worden waren und zwei Wochen lang im Gefängnis saßen, besuchte Evelyn mich einmal. Aber als ich aus dem Gefängnis kam, war sie ausgezogen und hatte die Kinder mitgenommen. Ich fand ein leeres, stilles Haus vor. Sie hatte sogar die Vorhänge entfernt, und aus irgendeinem Grund fand ich dieses winzige Detail niederschmetternd. Sie war zu ihrem Bruder gezogen, der mir erklärte: »Vielleicht ist es so das Beste, vielleicht werdet ihr ja, wenn sich alles abgekühlt hat, wieder zusammenkommen.« Das klang vernünftig, doch es sollte nicht sein.
Zwischen Evelyn und mir gab es unversöhnliche Differenzen. Ich konnte mein Leben im Kampf nicht aufgeben, und sie konnte nicht leben mit meiner Hingabe für etwas anderes als sie und die Familie. Sie war eine sehr gute Frau, bezaubernd, stark und treu, und sie war eine gute Mutter. Ich hatte immer Achtung und Bewunderung für sie, doch unsere Ehe konnten wir letztlich nicht retten.
Das Auseinanderbrechen einer Ehe ist traumatisch, vor allem für die Kinder. Unsere Familie bildete keine Ausnahme, und alle Kinder litten unter dem Scheitern unserer Ehe. Makgatho ge wöhnte sich an, in meinem Bett zu schlafen. Er war ein sanftmütiges Kind, ein natürlicher Friedensstifter, und er versuchte, zwischen mir und seiner Mutter irgendeine Art von Versöhnung zustande zu bringen. Makaziwe war noch sehr klein, und ich erinnere mich, daß ich sie eines Tages, als ich mal gerade weder im Gefängnis noch im Gericht war, unangemeldet in ihrer Creche (Kinderkrippe) besuchte. Sie war immer ein sehr liebevolles Kind gewesen, doch als sie mich an jenem Tag sah, erstarrte sie. Sie wußte nicht, ob sie auf mich zulaufen oder vor mir davonlaufen sollte, wußte nicht, ob sie lächeln sollte oder nicht. In ihrem kleinen Herzen war ein Konflikt, von dem sie nicht wußte, wie er gelöst werden konnte. Das war sehr schmerzhaft.
Am tiefsten traf es wohl Thembi, der damals zehn Jahre alt war. Er hörte auf zu lernen und zog sich in sich selbst zurück. Er hatte sich zuvor sehr für Englisch und Shakespeare interessiert, doch nach der Trennung wirkte er apathisch, was das Lernen betraf. Sein Schulleiter sprach bei einer Gelegenheit mit mir, doch es gab wenig, was ich tun konnte. Wann immer ich konnte, nahm ich ihn mit zur Trainingshalle, und manchmal wirkte er ein wenig lockerer. Aber ich konnte nicht immer dort sein, und als ich später im Untergrund war, nahm Walter Thembi mit, zusammen mit seinem eigenen Sohn. Einmal hatten sie gemeinsam irgendeine Veranstaltung besucht, und hinterher sagte Walter zu mir: »Mann, ist der Bursche still.« Nach dem Zerbrechen der Ehe trug Thembi häufig meine Kleider, obwohl sie ihm viel zu groß waren; sie stellten irgendeine Art Verbindung dar zu seinem allzu oft fernen Vater.
Am 9. Januar 1957 waren wir wieder in der Drill Hall versammelt. Diesmal war die Verteidigung an der Reihe, die Anklagen des Staates zurückzuweisen. Nachdem er die Klage der Krone gegen uns zusammengefaßt hatte, sagte Vernon Berrange, der führende Anwalt unseres Teams: »Die Verteidigung wird nachdrücklich widerlegen, daß die Forderungen der Freiheits-Charta hochverräterischer oder krimineller Natur sind. Die Verteidigung wird vielmehr nachweisen, daß
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