Der lange Weg zur Freiheit
bekehren, indem sie sagte, ich sollte mein Engagement für den Freiheitskampf in ein Engagement für Gott verwandeln. Zwar fand ich einige Aspekte des Wachtturm-Systems interessant und lohnenswert, doch Evelyns Ergebenheit konnte und wollte ich nicht teilen. Es war etwas Obsessives dabei, das mich abstieß. Soweit ich erkennen konnte, lehrte sie ihr Glaube Passivität und Unterwürfigkeit angesichts von Unterdrückung, eine Haltung, die ich nicht akzeptieren konnte.
Mein Engagement für den ANC und unseren Kampf waren unerschütterlich. Dies beunruhigte Evelyn. Sie war immer davon ausgegangen, daß Politik so etwas wie eine jugendliche Zerstreuung sei und ich eines Tages in die Transkei zurückkehren und dort als Anwalt praktizieren würde. Selbst als diese Möglichkeit in immer weitere Ferne rückte, akzeptierte sie niemals die Tatsache, daß Johannesburg unsere Heimat sein würde, und ließ auch nicht von dem Gedanken ab, daß wir irgendwann doch nach Umtata ziehen würden. Sie glaubte, sobald ich wieder in der Transkei sei, im Schoß meiner Familie, und als Berater für Sabata tätig wäre, würde ich die Politik nicht mehr vermissen. Sie redete Daliwonga zu, mich zur Rückkehr nach Umtata zu bewegen. Wir hatten viele Gespräche darüber, und ich erklärte ihr geduldig, daß die Politik für mich keine Zerstreuung sei, sondern mein Lebenswerk, ein wesentlicher und fundamentaler Teil meines Wesens. Sie konnte das nicht akzeptieren. Ein Mann und eine Frau, die ihre jeweiligen Rollen im Leben so grundverschieden sehen, können einander nicht nahe bleiben.
Ich versuchte sie von der Notwendigkeit des Kampfes zu überzeugen, während sie ihrerseits es unternahm, mich vom Wert des religiösen Glaubens zu überzeugen. Wenn ich zu ihr sagte, daß ich der Nation diente, erwiderte sie, Gott zu dienen sei wichtiger. Wir fanden nur noch wenig gemeinsamen Boden, und in zunehmendem Maße war ich davon überzeugt, daß die Ehe nicht länger zu halten war.
Wir führten auch einen Kampf um Hirne und Herzen der Kinder. Sie wollte, daß sie religiös waren, und ich meinte, sie sollten politisch sein. Sie ging mit ihnen bei jeder Gelegenheit zur Kirche und las ihnen aus dem »Wachtturm« vor. Sie gab den Jungen sogar »Wachtturm«-Exemplare, die sie in der Township verteilen sollten. Ich meinerseits sprach mit den Jungen über Politik. Thembi war Mitglied der Pioneers, der Jugendabteilung des ANC, und so war er politisch bereits beschlagen. Makgatho pflegte ich mit den einfachsten Worten zu erklären, wie der schwarze Mann vom weißen Mann verfolgt wurde.
An die Wände unseres Hauses hatte ich Bilder von Roosevelt, Churchill, Stalin, Gandhi und von der Erstürmung des Winterpalais in St. Petersburg im Jahr 1917 gehängt. Ich erklärte den Jungen, wer jeder dieser Männer war und wofür sie standen. Und sie wußten, daß die weißen Führer von Südafrika für etwas ganz anderes standen. Eines Tages kam Makgatho ins Haus gerannt und sagte: »Daddy, Daddy, da ist Malan auf dem Hügel!« Malan war der erste nationalistische Premierminister gewesen, und der Junge hatte ihn mit einem der Verantwortlichen für die Bantu-Erziehung verwechselt. Sein Name war Willie Maree, und er hatte angekündigt, an jenem Tag auf einer öffentlichen Versammlung in der Township sprechen zu wollen. Ich ging hinaus, um mir die Sache genauer anzusehen, denn der ANC hatte eine Demonstration organisiert, die sicherstellen sollte, daß die Versammlung kein Erfolg würde. Draußen sah ich, daß etliche Polizeiautos Maree zu dem Platz begleiteten, wo er sprechen sollte, doch es gab von Anfang an Ärger, und Maree ergriff die Flucht, ohne seine Rede gehalten zu haben. Ich erklärte Makgatho, das sei zwar nicht Malan gewesen, doch hätte er es sehr wohl sein können.
Mein Programm in jenen Tagen war gnadenlos. Ich verließ das Haus morgens in aller Frühe und kehrte spätabends zurück. Nach einem Tag im Büro hatte ich gewöhnlich irgendwelche Zusammenkünfte. Evelyn hatte kein Verständnis für meine abendlichen Treffen und hatte den Verdacht, daß ich mich mit anderen Frauen traf, wenn ich spät nach Hause kam. Immer und immer wieder erklärte ich ihr, um was für Treffen es sich handelte, warum ich dort war und worüber diskutiert wurde. Doch sie ließ sich nicht beirren. 1955 stellte sie mir ein Ultimatum: Ich sollte zwischen ihr und dem ANC wählen.
Walter und Albertina standen Evelyn sehr nah, und beider größter Wunsch war, daß wir zusammenblieben.
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