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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Streik pflegten die Führer der betreffenden Aktion für ein paar Tage unterzutauchen, um der unausweichlich durchgeführten Polizeirazzia zu entgehen. Damals überwachte uns die Polizei noch nicht rund um die Uhr, und es war leicht, für ein oder zwei Tage unterzutauchen. Die Nacht vor dem Streik hielten Walter, Oliver, Moses Kotane, J. B. Marks, Dan Tloome, Duma Nokwe und ich uns im Haus von Dr. Nthatho Motlana, meinem Arzt, in Orlando. Sehr früh am nächsten Morgen begaben wir uns zu einem anderen Haus in derselben Nachbarschaft, von wo aus wir in Telefonkontakt mit den anderen Führern in der Stadt bleiben konnten. Mit der Kommunikation haperte es in jenen Tagen beträchtlich, zumal in den Townships, wo nur wenige Leute ein Telefon besaßen, und es war frustrierend, keinen Überblick über einen Streik zu bekommen. Früh am nächsten Morgen schickten wir Leute zu strategischen Plätzen in der Township, um Züge, Busse und Taxis zu beobachten und zu sehen, ob die Menschen zur Arbeit fuhren oder nicht. Sie kehrten mit schlechten Nachrichten zurück: Busse und Züge waren voll besetzt; die Menschen ignorierten den Streikaufruf. Erst jetzt bemerkten wir, daß der Gentleman, in dessen Haus wir uns aufhielten, nirgends zu finden war – er war hinausgeschlichen und zur Arbeit gegangen. Der Streik erwies sich als Fehlschlag.
    Wir beschlossen, den Streik abzublasen. Ein dreitägiger Streik, der am ersten Tag abgebrochen wird, ist nur ein eintägiger Fehlschlag; einen Streik, der ein Fehlschlag ist, drei Tage laufen zu lassen, ist ein Fiasko. Es war demütigend, den Streik abblasen zu müssen, doch wir hatten das Gefühl, es wäre noch demütigender, es nicht zu tun. Keine Stunde, nachdem wir ein Statement zur Beendigung des Streiks herausgegeben hatten, wurde der Text unseres Aufrufs vom Regierungssender South African Broadcasting Corporation (SABC) in voller Länge verlesen. Normalerweise ignorierte SABC den ANC vollständig; nur bei einer Niederlage kamen wir in seine Nachrichten. Diesmal beglückwünschte man uns sogar zum Abbruch des Streiks. Dies ärgerte Moses Kotane sehr. »Von der SABC gelobt zu werden, das ist zuviel«, sagte er kopfschüttelnd. Und er fragte, ob wir nicht übereilt gehandelt und dadurch dem Staat in die Hände gespielt hätten. Das war eine legitime Sorge, doch Beschlüsse sollten nicht aus Stolz oder Verlegenheit gefaßt werden, sondern unter rein strategischen Gesichtspunkten- und die Strategie gebot es, daß wir den Streik abbliesen. Die Tatsache, daß der Feind unsere Kapitulation für sich ausgenutzt hatte, bedeutete noch nicht, daß die Kapitulation falsch war.
    In manchen Gebieten hörte man nicht, daß der Streik abgeblasen worden war, während man sich in anderen gar nicht darum kümmerte. In Port Elizabeth, einer Bastion des ANC, und in anderen Gebieten am Kap war die Reaktion am zweiten und dritten Tag besser als am ersten. Insgesamt jedoch ließ sich die Tatsache nicht verheimlichen, daß der Streik ein Fehlschlag war. Als wäre das noch nicht genug, erhöhten die Nationalisten ihren Stimmanteil um mehr als zehn Prozent.
    Wir führten hitzige Diskussionen darüber, ob wir gewisse Zwangsmaßnahmen hätten einsetzen sollen. Hätten wir Streikposten einsetzen sollen, welche die Menschen für gewöhnlich am Betreten ihres Arbeitsplatzes hindern? Die Hardliner behaupteten, der Einsatz von Streikposten hätte den Streik zu unseren Gunsten entschieden. Doch ich bin stets gegen solche Methoden gewesen. Es ist das beste, sich auf die freiwillige Unterstützung der Menschen zu verlassen, denn sonst ist diese Unterstützung schwach und flüchtig. Die Organisation sollte von den Menschen als Hort angesehen werden, nicht als Kerker. Unterstützt indes eine Mehrheit der Organisation oder der Menschen eine Entscheidung, so kann in bestimmten Fällen im Interesse der Mehrheit Zwang eingesetzt werden gegen eine Minderheit von Abweichlern. Eine Minderheit sollte, wenn auch noch so lautstark, den Willen der Mehrheit nicht frustrieren können.
    In meinem Haus versuchte ich eine andere Form von Zwang einzusetzen, jedoch ohne Erfolg. Ida Mthimkhulu, eine Frau in meinem Alter, die Sotho sprach, war damals unsere Hausgehilfin. Ida war mehr Mitglied der Familie als Angestellte, und ich nannte sie Kgaitsedi, was »Schwester« bedeutet und ein Kosename ist. Ida leitete den Haushalt militärisch und streng, und Winnie und ich gehorchten ihr willig. Ich rannte oft hinaus, um irgendeine Besorgung zu erledigen,

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