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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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mit den Gefährten des Bräutigams zum Haus eines der Verwandten von Winnie ging.
    Die Zeremonie selbst fand in der lokalen Kirche statt, und anschließend feierten wir im Haus von Winnies ältestem Bruder, das auch das Stammhaus des Madikizela-Clans war. Das Hochzeitsauto war üppig mit den Farben des ANC geschmückt. Es wurde getanzt und gesungen, und Winnies überschäumende Großmutter führte uns alle einen besonderen Tanz auf. Die gesamte Exekutive des ANC war eingeladen worden, doch Bannungen begrenzten ihre Zahl. Unter den Gästen waren Duma Nokwe, Lilian Ngoyi, Dr. James Njongwe, Dr. Wilson Conco und Victor Tyamzashe.
    Der Schlußempfang fand im Rathaus von Bizana statt. Die Rede, an die ich mich am deutlichsten erinnere, war die von Winnies Vater. Wie alle anderen bemerkte auch er, daß sich unter den uneingeladenen Hochzeitsgästen eine Anzahl von Sicherheitspolizisten befand. Er sprach von seiner Liebe zu seiner Tochter, von meinem Engagement für das Land und von meiner gefährlichen Karriere als Politiker. Als Winnie ihm gegenüber zum erstenmal unsere geplante Hochzeit erwähnt hatte, hatte er ausgerufen: »Aber du heiratest ja einen Knastbruder!« Was die Zukunft angehe, so sei er nicht optimistisch; eine solche Ehe in einer solch schwierigen Zeit werde unablässig schwersten Prüfungen unterworfen. Er sagte zu Winnie, sie heirate einen Mann, der bereits mit dem Kampf verheiratet sei. Er wünschte seiner Tochter Glück und endete mit den Worten: »Wenn dein Mann ein Hexer ist, mußt du eine Hexe werden!« Das hieß, sie habe ihrem Mann zu folgen, wohin er auch gehe. Danach sprach meine Schwester Constance Mbekeni statt meiner im Rahmen der Zeremonie.
    Nach der Zeremonie wurde ein Stück des Hochzeitskuchens eingewickelt, damit die Braut es für den zweiten Teil der Hochzeit zum Stammhaus des Bräutigams bringen konnte. Aber dazu kam es nicht, denn mein Abwesenheitsurlaub war zu Ende, und wir mußten nach Johannesburg zurück. In meinem Haus, Nr. 8115 Orlando West, wartete eine große Gesellschaft von Freunden und Familie, um uns wieder willkommen zu heißen. Ein Schaf war geschlachtet worden, und es gab zu unseren Ehren ein Fest.
    Für Flitterwochen oder auch nur Flittertage fehlte es an Zeit und Geld, und das Leben fügte sich rasch in die Routine, die durch den Prozeß beherrscht wurde. Wir wachten sehr früh am Morgen auf, gewöhnlich so um vier. Winnie sorgte für das Frühstück, bevor ich das Haus verließ. Ich fuhr dann mit dem Bus zum Prozeß oder suchte frühmorgens mein Büro auf. Dort verbrachte ich soviel Zeit wie möglich, auch nachmittags und abends, um unsere Praxis in Gang zu halten und etwas Geld zu verdienen. Die Abende gehörten allerdings oft der politischen Arbeit und den Zusammenkünften. Die Frau eines Freiheitskämpfers gleicht oft einer Witwe, selbst wenn ihr Mann nicht im Gefängnis ist. Obwohl ich mitten in einem Hochverratsprozeß stand, gab Winnie mir Grund zur Hoffnung. Ich hatte das Gefühl, im Leben eine neue, eine zweite Chance zu haben. Meine Liebe zu ihr verlieh mir zusätzliche Kraft für zukünftige Kämpfe.
     
     
    Das Hauptereignis in Südafrika war 1958 die allgemeine Wahl – »allgemein« nur in dem Sinn, daß alle drei Millionen weißen Wähler daran teilnehmen konnten, jedoch keiner der 13 Millionen Afrikaner. Wir debattierten darüber, ob wir eine Protestaktion veranstalten sollten. Die zentrale Frage war: Hatte eine Wahl, an der nur Weiße teilnehmen konnten, für Afrikaner irgendeine Bedeutung. Die Antwort, soweit sie den ANC betraf, lautete, daß wir nicht gleichgültig bleiben konnten, selbst wenn wir von dem Wahlvorgang ausgesperrt waren. Wir waren zwar ausgeschlossen, jedoch nicht unberührt: Die Niederlage der National Party würde in unserem Interesse und im Interesse aller Afrikaner sein.
    Der ANC tat sich zusammen mit den anderen Gruppierungen und mit SACTU, dem Südafrikanischen Congress of Trade Unions (Gewerkschaftskongreß), um zu den Wahlen im April einen dreitägigen Streik auszurufen. Flugblätter wurden verteilt in Fabriken und Läden, auf Bahnhöfen und an Haltestellen, in Bierhallen und Krankenhäusern und von Haus zu Haus. »Die Nationalisten müssen gehen« war der Hauptslogan der Kampagne. Unsere Aktionen bereiteten der Regierung Sorgen, und vier Tage vor der Wahl verfügte der Staat, daß es illegal sei, wenn in einem städtischen Gebiet mehr als zehn Afrikaner zusammenkämen.
    In der Nacht vor einem geplanten Protest, Boykott oder

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