Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
Vom Netzwerk:
Zindzile«, was soviel heißt wie: »Du bist wohlgelungen.« Er nannte sie Zindziswe, die weibliche Version des Namens, den er angesprochen hatte.
     
     
    Die Krone brauchte über einen Monat, um ihren Vortrag zusammenzufassen, dabei häufig unterbrochen vom Gericht, das auf Widersprüche in der Argumentation hinwies. Im März waren wir an der Reihe. Issy Maisels wies kategorisch den Vorwurf der Gewalttätigkeit zurück. »Wir räumen ein, daß sich die Frage der Nichtkooperation und des passiven Widerstands stellt«, sagte er, »wir erklären ganz offen, falls Nichtkooperation und passiver Widerstand Hochverrat darstellen, dann sind wir schuldig. Das Gesetz über Hochverrat beinhaltet dies jedoch in gar keiner Weise.«
    Maisels Argumentation wurde von Bram Fischer fortgeführt, doch am 23. März unterbrach das Gericht Brams Vortrag. Uns standen noch Wochen der Argumentation bevor, doch die Richter baten um eine Vertagung von einer Woche. Dies war ungewöhnlich, doch wir erblickten darin ein hoffnungsvolles Zeichen, denn es ließ darauf schließen, daß sich die Richter bereits ihre Meinung gebildet hatten. In sechs Tagen sollten wir wieder vor Gericht erscheinen, zur Urteilsverkündung, wie wir vermuteten. Inzwischen gab es für mich einiges an Arbeit.
    Zwei Tage nach der Vertagung sollten meine Bannungen auslaufen. Ich war mir fast sicher, daß die Polizei dies nicht bemerken würde, denn sie achtete selten darauf, wann ein Bann endete. Zum erstenmal seit fast fünf Jahren würde es mir freistehen, Johannesburg zu verlassen, würde ich frei sein, an einem Meeting teilzunehmen. An jenem Wochenende sollte die seit langem geplante All-in-Conference in Pietermaritzburg stattfinden. Auf ihr sollte für eine National Constitutional Convention für alle Südafrikaner geworben werden. Ich war insgeheim als Hauptredner der Konferenz vorgesehen. Die 450 Kilometer nach Pietermaritzburg wollte ich in der Nacht vor meiner Ansprache zurücklegen.
    Am Tag vor meiner Abfahrt traf sich das National Working Committee (Nationales Arbeitskomitee) in geheimer Sitzung, um über Strategie zu beraten. Nach vielen Zusammenkünften im Gefängnis wie auch außerhalb hatten wir beschlossen, aus dem Untergrund zu arbeiten und uns einer Strategie zu bedienen, die den M-Plan zur Richtschnur hatte. Die Organisation sollte im geheimen überleben. Es wurde beschlossen, daß ich für den Fall, daß wir nicht verurteilt würden, in den Untergrund ginge, um im Land umherzureisen und die geplante National Constitutional Convention zu organisieren. Nur jemand, der ganztags aus dem Untergrund arbeitete, würde unbehelligt sein von den lähmenden Einschränkungen, die uns der Feind auferlegte. Es wurde beschlossen, ich sollte bei bestimmten Ereignissen unversehens auftauchen, möglichst mit einem Maximum an Publizität, um zu zeigen, daß der ANC nach wie vor kämpfte. Es war kein Vorschlag, der mich überraschte oder mir gar besonderes Vergnügen bereitete, doch ich wußte, daß ich es tun mußte. Es würde ein gefährliches Leben sein, und es würde mich fernhalten von meiner Familie, doch wenn einem Menschen verweigert wird, das Leben zu leben, an das er glaubt, so bleibt ihm keine Wahl, als ein Gesetzloser zu werden.
    Als ich von dem Treffen nach Hause zurückkehrte, war es, als könne Winnie meine Gedanken lesen. Als sie mich anschaute, wußte sie, daß ich im Begriff stand, ein Leben zu beginnen, das keiner von uns beiden wollte. Ich erklärte, was sich ereignet hatte und daß ich am nächsten Morgen aufbrechen würde. Sie nahm es so stoisch auf, als habe sie die ganze Zeit damit gerechnet. Sie verstand, was ich tun mußte, doch das machte es in gar keiner Weise leichter für sie. Ich bat sie, mir einen kleinen Koffer zu packen. Ich erklärte ihr, Freunde und Verwandte würden sich während meiner Abwesenheit um sie kümmern, und sagte ihr nicht, wie lange ich fort sein würde; sie fragte auch nicht. Das war gut so, weil ich die Antwort nicht kannte. Ich würde zur wahrscheinlichen Urteilsverkündung am Montag nach Pretoria zurückkehren. Wie das Urteil auch ausfallen mochte, ich würde nicht nach Hause zurückkehren: Würden wir verurteilt, ginge ich direkt ins Gefängnis; sprach man uns frei, würde ich sofort in den Untergrund gehen.
    Mein ältester Sohn Thembi war in der Transkei auf der Schule; so konnte ich mich nicht von ihm verabschieden, doch an jenem Nachmittag holte ich Makgatho und meine Tochter Makaziwe von ihrer Mutter in Ost-Orlando.

Weitere Kostenlose Bücher