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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Wir verbrachten einige Stunden gemeinsam, wanderten über das Veld außerhalb der Stadt, sprachen und spielten miteinander. Nicht wissend, wann ich sie wiedersehen würde, sagte ich ihnen Lebewohl. Die Kinder eines Freiheitskämpfers wissen, daß man seinem Vater nicht zu viele Fragen stellt, und ich konnte an ihren Augen sehen, daß sie begriffen, daß etwas Ernstes bevorstand.
    Zu Hause küßte ich die beiden Mädchen zum Abschied. Sie winkten, als ich mit Wilton Conco ins Auto stieg, und dann begann die lange Fahrt nach Natal.
     
     
    Zur All-in-Conference in Pietermaritzburg kamen 1400 Delegierte aus dem ganzen Land, die 150 verschiedene religiöse, soziale, kulturelle und politische Organisationen vertraten. Als ich am Samstagabend, 25. März, hinaustrat auf die Bühne, vor diese loyalen und enthusiastischen Zuhörer, war es fast fünf Jahre her, daß ich in der Öffentlichkeit hatte eine Rede halten können. Mir wurde ein freudiger Empfang zuteil. Ich hatte fast vergessen, welch intensives Erlebnis es ist, zu einer Menschenmenge zu sprechen.
    In meiner Rede forderte ich einen Nationalkonvent, bei dem sich alle Südafrikaner, schwarze wie weiße, indische wie farbige, brüderlich zusammensetzen würden, um eine Verfassung zu verabschieden, welche die Bestrebungen des ganzen Landes widerspiegeln sollte. Ich rief auf zur Einheit und erklärte, wir würden unbesiegbar sein, wenn wir mit einer Stimme sprächen.
    Die All-in-Conference forderte einen Nationalkonvent gewählter Vertreter aller erwachsener Männer und Frauen auf der Grundlage der Gleichberechtigung, um eine neue nichtrassische demokratische Verfassung für Südafrika zu beschließen. Ein National Action Council mit mir als Ehrensekretär wurde gewählt, um diese Forderung der Regierung zu übermitteln. Falls die Regierung einen solchen Konvent nicht einberief, würden wir zu einer landesweiten dreitägigen Stay-Away-Aktion aufrufen, die am 29. Mai und damit mit der Deklaration Südafrikas als Republik zusammenfallen sollte. Ich hatte keine Illusionen, daß der Staat unserem Vorschlag zustimmen würde.
    Im Oktober 1960 hatte die Regierung ein rein weißes Referendum zur Frage durchgeführt, ob Südafrika eine Republik werden wollte. Es war einer der langgehegten Träume des Afrikander-Nationalismus, die Bindungen an das Land abzustreifen, gegen das sie im Englisch-Burischen Krieg gekämpft hatten. Die pro-republikanische Stimmung setzte sich mit 5 2 Prozent der abgegebenen Stimmen durch, und die Proklamation der Republik wurde für den 31. Mai 1961 festgesetzt. Wir legten unsere Stay-at-Home-Aktion auf den Tag der Proklamation, um darauf hinzuweisen, daß eine solche Veränderung für uns rein kosmetischer Natur war.
    Unmittelbar nach der Konferenz sandte ich Premierminister Verwoerd einen Brief, in dem ich ihn förmlich dazu aufforderte, einen konstitutionellen Nationalkonvent einzuberufen. Falls er sich weigere, warnte ich ihn, so würden wir, beginnend am 29. Mai, den massivsten dreitägigen Streik inszenieren, den das Land je gesehen habe. »Wir machen uns keine Illusionen über die Gegenmaßnahmen, zu denen Ihre Regierung greifen mag«, schrieb ich. »Während der letzten zwölf Monate haben wir eine Zeit grimmiger Diktatur durchgemacht.« Ich gab auch Presseerklärungen heraus, die bekräftigten, daß es sich um einen friedlichen Streik und ein gewaltloses Stay-at-Home handeln würde. Verwoerd erwiderte meinen Brief nicht, bezeichnete ihn im Parlament jedoch als »arrogant«. Statt dessen begann die Regierung eine der einschüchterndsten Zurschaustellungen von Macht in die Wege zu leiten, welche die Geschichte des Landes jemals erlebt hatte.
     
     
    Nochbevor sich die Türen der Alten Synagoge am Morgen des 29. März 1961 öffneten, am Tag des seit langem erwarteten Urteils im Hochverratsprozeß, versuchte sich eine Menge von Anhängern und Presseleuten Einlaß zu verschaffen. Hunderte wurden abgewiesen. Als die Richter im Gerichtssaal Ordnung herstellten, waren die Zuschauergalerie und die Pressebank dicht gefüllt. Kaum hatte Richter Rumpff mit seinem Hammer die üblichen Schläge getan, unternahm die Staatsanwaltschaft einen außerordentlichen Versuch, die Anklage noch zu ändern. Es war die 59. Minute der 11. Stunde, und es war zwei Jahre zu spät. Das Gericht ließ die Anklagevertretung abblitzen, und die Zuschauer murmelten zustimmend.
    »Ruhe im Gericht!« rief der Gerichtsdiener, und Richter Rumpff verkündete, daß die drei Richter zu

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