Der lange Weg zur Freiheit
Volk, sagte er, wird bereitwillig die schwersten Opfer auf sich nehmen, um sich der Unterdrückung zu entledigen. Mit Professor Matthews im Zeugenstand errang die Verteidigung eine gute Note. Nachdem er seine Aussage beendet hatte, schüttelte ihm Richter Kennedy die Hand und gab der Hoffnung Ausdruck, daß sie einander unter besseren Umständen wiedersehen würden.
Nachder Aufhebung des Ausnahmezustands traf sich das Nationale Exekutivkomitee heimlich im September, um über die Zukunft zu diskutieren. Wir hatten zwar im Gefängnis während des Prozesses Gespräche geführt, doch dies war unsere erste formale Zusammenkunft. Der Staat bewaffnete sich nicht für eine äußere, sondern für eine innere Bedrohung. Wir würden uns nicht auflösen, sondern aus dem Untergrund weiterarbeiten. Wir würden abrücken müssen von den in unserer Satzung festgelegten demokratischen Verfahrensweisen, vom Abhalten von Konferenzen, von Ortsgruppentreffen und von öffentlichen Versammlungen. Neue Strukturen mußten geschaffen werden für die Kommunikation mit nichtgebannten Congress-Organisationen. Doch alle diese neuen Strukturen waren illegal, und wer sich daran beteiligte, mußte mit Verhaftung und Gefängnis rechnen. Das Exekutivkomitee und die ihm untergeordneten Strukturen würden viel effizienter sein müssen, um sich illegalen Bedingungen anpassen zu können. Notgedrungen lösten wir die ANC-Jugendliga und -Frauenliga auf. Manche widersetzten sich heftig diesen Veränderungen; doch es war nun einmal Tatsache, daß wir fortan eine illegale Organisation waren. Für jene, die sich weiterhin beteiligten, wurde die Politik, bisher eine riskante Beschäftigung, wahrhaft gefährlich.
Obwohl Mandela und Tambo ihr Büro geschlossen und ihre Kanzleigeschäfte abgewickelt hatten, setzte ich, wann immer möglich, meine juristische Arbeit fort. Zahlreiche Kollegen stellten mir ihre Büros, ihre Mitarbeiter und ihre Telefone bereitwillig zur Verfügung, doch in der Regel arbeitete ich von Ahmed Kathradas Wohnung aus. Obwohl meine Praxis aufgelöst war, war mein Ruf als Anwalt weiterhin ungetrübt. Bald waren die Diele von Apartment Nr. 13 und der Flur draußen voller Klienten. Wenn Kathy nach Hause kam, mußte er unwillig feststellen, daß die Küche der einzige Raum war, in dem er allein sein konnte.
Während dieser Tage hatte ich kaum Zeit zum Essen und sah nur selten meine Familie. Entweder blieb ich bis in die späten Abendstunden in Pretoria, um mich auf unseren Prozeß vorzubereiten, oder ich eilte zurück, um mich mit einem anderen Fall zu befassen. Kam ich wirklich einmal zum Abendessen mit meiner Familie, so klingelte das Telefon, und ich wurde fortgerufen. Winnie war wieder schwanger; sie war von unendlicher Geduld. Sie hoffte, daß ihr Mann im Krankenhaus bei ihr sein werde, wenn sie entbunden wurde. Aber es sollte nicht sein.
Während der Weihnachtsfeiertage 1960 erfuhr ich, daß Makgatho, der in der Transkei die Schule besuchte, krank war, und ich verstieß gegen meine Bannungen und fuhr zu ihm. Ich fuhr die ganze Nacht hindurch und hielt nur zum Tanken. Makgatho benötigte einen chirurgischen Eingriff, und ich beschloß, ihn mit mir nach Johannesburg zu nehmen. Wieder fuhr ich die ganze Nacht hindurch und brachte Makgatho zu seiner Mutter, um mich dann um den chirurgischen Eingriff zu kümmern. Als ich zurückkehrte, erfuhr ich, daß Winnie bereits ihre Wehen hatte. Ich raste zu dem für Nichtweiße bestimmten Flügel des Bridgman Memorial Hospital und stellte fest, daß Mutter und Tochter bereits wieder zu Hause waren. Dem neugeborenen Mädchen ging es gut, aber Winnie war sehr schwach.
Wir nannten unser neues Töchterchen Zindziswa, nach der Tochter des Dichterfürsten des Xhosa-Volkes, Samuel Mqhayi, der mich vor so vielen Jahren in Healdtown beeindruckt hatte. Der Dichter war von einer sehr langen Reise zurückgekehrt, um festzustellen, daß seine Frau ein Töchterchen zur Welt gebracht hatte. Er hatte nicht gewußt, daß sie schwanger war, und nahm an, daß das Kind von einem anderen Mann stammte. Wenn in unserer Kultur eine Frau ein Kind gebärt, so betritt der Ehemann nicht das Haus, in dem sie für zehn Tage eingeschlossen ist. Doch in diesem Fall war der Dichter zu zornig, um dieses Brauchtum zu beachten, und er stürmte in das Haus, bereit, Mutter und Tochter mit einem Assegai zu töten, aber als er das neugeborene Mädchen erblickte und sah, daß sie sein Ebenbild war, trat er zurück und sagte: »u
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