Der lange Weg zur Freiheit
sein kann, um dann unerwartet wieder hervorzutreten. Richter Rumpff erweckte in seiner hochnäsigen Art während des gesamten Prozesses den Eindruck, daß er den Standpunkt der herrschenden weißen Minderheit teilte. Doch am Ende färbte eine grundlegende Fairneß sein Urteil. Kennedy war weniger konservativ als seine Kollegen, und die Idee der Gleichheit schien ihn anzuziehen. Einmal flogen er und Duma Nokwe zum Beispiel im selben Flugzeug von Durban nach Johannesburg, und als man Duma nicht in den Airline-Bus zur Stadt einsteigen ließ, weigerte sich auch Kennedy, mit ihm zu fahren. Richter Becker schien mir immer aufgeschlossen zu sein und war sich offenbar bewußt, daß die Angeklagten viel hatten leiden müssen unter den Maßnahmen des Staates. Mein Lob dieser drei Männer gilt ihnen als Individuen, nicht als Vertreter des Gerichts oder des Staates oder auch ihrer Rasse, sondern als Beispiele für menschlichen Anstand unter widrigen Umständen.
Richter Bekkers Frau war für die Bedürfnisse anderer Menschen empfänglich. Während des Ausnahmezustands sammelte sie Konsumgüter, die sie den Angeklagten selbst brachte.
Doch die Konsequenz der für die Regierung so demütigenden Niederlage bestand darin, daß der Staat beschloß, so etwas niemals wieder geschehen zu lassen. Von jenem Tage an würde er sich nie wieder auf Richter verlassen, die er nicht selbst bestimmt hatte. Man würde sich nicht mehr an das halten, was man als juristische Kinkerlitzchen betrachtete, die Terroristen schützten oder verurteilten Gefangenen im Gefängnis bestimmte Rechte zuerkannten. Während des Hochverratsprozesses wurden keine Beispiele dafür vorgetragen, daß Menschen isoliert, geschlagen und gefoltert wurden, um Informationen aus ihnen herauszupressen. All dies gehörte bald zum Alltag.
6. Teil
Die schwarze Pimpernell
Nachder Urteilsverkündung kehrte ich nicht nach Hause zurück. Mochten andere auch in Festtagsstimmung sein, darauf erpicht zu feiern, ich wußte, daß die Behörden jeden Augenblick zuschlagen konnten, und ich wollte ihnen keine Gelegenheit dazu geben. Ich wollte fort sein, bevor man mich bannen oder verhaften konnte, und ich verbrachte die Nacht in einem sicheren Haus in Johannesburg. Es war eine ruhelose Nacht in einem fremden Bett, und beim Geräusch eines jeden Autos zuckte ich zusammen, weil ich dachte, es könne die Polizei sein.
Walter und Duma verabschiedeten sich von mir auf dem ersten Teil meiner Reise, die mich nach Port Elizabeth führte, wo ich mich mit Govan Mbeki und Raymond Mhlaba traf, um über die neuen Untergrundstrukturen der Organisation zu sprechen. Wir trafen uns im Haus von Dr. Masla Pather, der später zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt werden würde, weil er erlaubt hatte, daß wir uns in seinem Hause trafen. In sicheren Häusern, die von der Organisation arrangiert wurden, traf ich mich mit dem Herausgeber der liberalen Port Elizabeth Morning Post, um über die Kampagne für einen Nationalkonvent zu diskutieren, ein Ziel, das mehrere Zeitungen in der Folge förderten. Später besuchte ich Patrick Duncan, den Herausgeber und Verleger der liberalen Wochenzeitschrift Contact, ein Gründungsmitglied der Liberal Party und einer der ersten weißen Widerständler während der Mißachtungskampagne. Sein Blatt hatte den ANC wiederholt getadelt, seine Politik werde von Kommunisten diktiert, aber als er mich traf, war das erste, was er sagte, die genaue Lektüre der Unterlagen des Hochverratsprozesses hätte ihn eines Besseren belehrt und er werde seine Ansicht in seiner Zeitung korrigieren.
Am Abend sprach ich vor einer Gruppe von afrikanischen Geistlichen in Kapstadt. Ich erwähne dies, weil das Eröffnungsgebet eines der Geistlichen mir über die vielen Jahre hinweg im Gedächtnis haften geblieben ist und in schweren Zeiten ein Quell der Kraft war. Er dankte dem Herrn für seine Wohltat und Güte, für seine Gnade und seine Fürsorge für alle Menschen. Aber dann nahm er sich die Freiheit, den Herrn daran zu erinnern, daß manche seiner Geschöpfe beladener seien als andere und daß es mitunter scheine, als gebe er auf sie gar nicht acht. Dann erklärte der Geistliche, falls der Herr nicht ein wenig mehr Initiative zeige bei der Führung des schwarzen Mannes zur Erlösung, müsse der schwarze Mann die Sache in seine eigenen zwei Hände nehmen. Amen.
An meinem letzten Morgen in Kapstadt verließ ich mein Hotel in der Gesellschaft von George Peake, einem Gründungsmitglied der
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