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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Dalibunga.
    Dem Beschneidungsmeister folgte ein Gehilfe, und unmittelbar nachdem das »Assegai« sein Werk getan hatte, nahm der Gehilfe die auf dem Boden liegende Vorhaut und nähte sie an einen Zipfel der Wolldecke. Sodann wurden unsere Wunden mit einer Heilpflanze bedeckt, deren Blätter außen weiß und dornig waren, innen jedoch weich. Ein solches Blatt wurde auf das rohe Fleisch unserer Wunden gelegt, und es absorbierte das Blut und andere Sekrete.
    Zum Schluß der Zeremonie kehrten wir zu unseren Hütten zurück, wo feuchtes Holz brannte, damit Rauchwolken entstanden, die den Heilungsprozeß fördern sollten. Wir mußten uns in den raucherfüllten Hütten auf den Rücken legen, ein Bein ausgestreckt, das andere angewinkelt. Wir waren jetzt »Abakwetha«, eingeweiht in die Welt der Männlichkeit. Ein »Amakhankatha«, ein Wächter, schaute nach uns, der erklärte, die Regeln müßten eingehalten werden, wenn wir das Mannsein richtig beginnen wollten. Die erste Aufgabe des »Amakhankatha« bestand darin, unsere nackten, rasierten Körper von Kopf bis Fuß mit weißer Farbe zu bemalen und uns so in Geister zu verwandeln. Die weiße Farbe symbolisierte unsere Reinheit, und ich erinnere mich noch, wie hart die getrocknete Farbe sich auf meinem Körper anfühlte.
    In jener ersten Nacht kroch um Mitternacht ein »Ikhaukatha«, ein Gehilfe, in der Hütte herum und weckte behutsam jeden Jungen auf. Dann wurden wir aufgefordert, die Hütte zu verlassen und im Dunkeln einen Ameisenhaufen zu suchen, in dem wir unsere Vorhaut begraben sollten. Der traditionelle Grund hierfür war, daß unsere Vorhäute verborgen sein würden, bevor Zauberer sie für böse Zwecke verwenden konnten, doch symbolisch begruben wir auch unsere Jugend. Es war nicht angenehm, die warme Hütte verlassen zu müssen und in der Dunkelheit ins Ungewisse durch den Busch zu wandern. Nach einigen Minuten, die mir viel länger vorkamen, fand ich einen Ameisenhaufen, band meine Vorhaut los und vergrub sie. Ich hatte das Gefühl, mich jetzt vom letzten Überbleibsel meiner Kindheit getrennt zu haben.
    Während der nächsten zwei Monate wohnten wir in zwei Hütten – dreizehn Jungen in der einen, dreizehn in der anderen – und warteten, daß unsere Wunden heilten. Wenn wir ins Freie gingen, waren wir vollständig in Decken gehüllt, denn während dieser Zeit durften uns keine Frauen sehen. Es war eine Periode der Stille, eine Art spiritueller Vorbereitung auf die Prüfungen in unserem zukünftigen Leben als Männer. Am Tag unseres »Wiedererscheinens« gingen wir frühmorgens zum Fluß, um im Wasser des Mbashe den weißen Ocker abzuwaschen. Sobald wir sauber und trocken waren, wurden wir mit rotem Ocker bestrichen. Laut Tradition sollte ein Junge mit einer Frau schlafen, die später seine Ehefrau würde, und sie sollte den Ocker mit ihrem Körper abreiben. In meinem Fall wurde der Farbstoff jedoch durch die erste Methode und weniger durch die zweite entfernt.
     
     
    Am Ende unserer Absonderung wurden die Hütten samt allem Inhalt rituell verbrannt, die letzten Bindeglieder zu unserer Kindheit somit vernichtet. Wieder gab es eine große Zeremonie, um uns als Männer in der Gesellschaft willkommen zu heißen. Unsere Familien, Freunde und lokale Häuptlinge waren anwesend; Reden wurden gehalten, Lieder gesungen, Geschenke gemacht. Ich erhielt zwei junge Kühe und vier Schafe, und ich fühlte mich reicher denn je zuvor. Ich, dem nie etwas gehört hatte, besaß plötzlich etwas. Es war ein berauschendes Gefühl, auch wenn sich meine Geschenke recht bescheiden ausnahmen im Vergleich zu denen von Justice, der eine ganze Herde bekommen hatte. Ich war nicht neidisch darauf. Er war der Sohn eines Königs; ich war nur dazu bestimmt, Ratgeber eines Königs zu werden. Ich fühlte mich stark und stolz. Ich erinnere mich, daß ich an jenem Tag aufrechter, fester, ja größer dahinschritt. Ich war voller Hoffnung und dachte, daß ich eines Tages irgendwann in der Zukunft Reichtum, Eigentum und Rang haben würde.
    Dann sprach der Hauptredner des Tages zu uns, Häuptling Meligqili, der Sohn von Dalindyebo, und meine bunten Träume verdüsterten sich plötzlich. Er begann konventionell, indem er bemerkte, was für ein glorreicher Tag es sei und wie schön, daß wir eine Tradition fortsetzten, die seit Menschengedenken bestanden habe. Dann wendete er sich uns zu und wurde sehr ernst. »Dort sitzen unsere Söhne, jung, gesund und stattlich, die Blüte des Xhosa-Stammes, der

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