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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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größte Geldsumme, die ich je besessen hatte. Ich erwiderte seinen Abschiedsgruß und versprach, ihn nicht zu enttäuschen.
     
     
    Clarkebury war ein Thembu-College, gegründet auf dem Land, das der große Thembu-König Ngubengcuka ihm geschenkt hatte, und als Nachfahre von Ngubengcuka nahm ich an, mir würde hier die gleiche Ehrerbietung bezeugt werden, wie ich sie von Mqhekezweni her gewohnt war. Aber das erwies sich als schmerzlicher Irrtum, denn in Clarkebury wurde ich genauso behandelt wie alle anderen. Niemand wußte oder interessierte sich dafür, daß ich ein Nachkomme des illustren Ngubengcuka war. Der Boardingmaster (Internatsleiter) empfing mich ohne Trompetengeschmetter, und meine Mitstudenten machten vor mir weder eine Verbeugung noch einen Kratzfuß. Hier in Clarkebury waren viele der anderen Jungen selbst vornehmer Abstammung, und plötzlich war ich nicht mehr einzigartig. Dies war eine wichtige Lektion für mich, denn in jenen Tagen war ich ein wenig hochnäsig, glaube ich. Ich begriff rasch, daß ich meinen Weg nur aufgrund meiner Fähigkeiten und nicht meiner Herkunft machen konnte. Die meisten meiner Mitstudenten waren mir auf dem Sportplatz ebenso überlegen wie in den Klassenräumen beim Unterricht, und so hatte ich eine Menge nachzuholen.
    Am nächsten Morgen begann der erste Unterrichtstag, und zusammen mit meinen Mitstudenten stieg ich die Treppe zum ersten Stock hinauf, wo sich die Klassenzimmer befanden. Der Raum selbst hatte einen wunderschön polierten Holzfußboden.
    An diesem ersten Unterrichtstag trug ich zum erstenmal meine neuen Stiefel. Ich hatte noch nie zuvor irgendwelche Stiefel getragen, und so ging ich an diesem Tag wie ein frisch beschlagenes Pferd. Schon auf der Treppe hatte ich einen furchtbaren Lärm gemacht und war mehrmals um ein Haar ausgerutscht. Als ich ins Klassenzimmer trampelte, bemerkte ich, daß zwei Studentinnen in der ersten Reihe mein linkisches Auftreten mit großer Belustigung beobachteten. Die Hübschere der beiden beugte sich zu der anderen und sagte so laut, daß alle sie hören konnten: »Der Landjunge ist nicht gewohnt, Schuhe zu tragen«, woraufhin ihre Freundin lachte. Ich war blind vor Wut und Verlegenheit.
    Sie hieß Mathona und war ein wenig neunmalklug. An jenem Tag gelobte ich, niemals mit ihr zu sprechen. Doch als mein Gekränktsein sich legte und ich mich an meine Stiefel gewöhnte, lernte ich sie doch näher kennen, und sie wurde in Clarkebury mein bester Freund. Sie war mein erster wirklicher weiblicher Freund, eine Frau, der ich auf gleicher Ebene begegnete, der ich mich anvertrauen und mit der ich Geheimnisse teilen konnte. In vielerlei Hinsicht war sie das Modell für all meine späteren Freundschaften mit Frauen, denn wie ich herausgefunden habe, sind es Frauen, bei denen ich freimütig sein und denen ich Schwächen und Ängste eingestehen kann, die ich einem anderen Mann niemals offenbaren würde.
     
     
    Bald paßte ich mich an das Leben in Clarkebury an. Sooft ich konnte, nahm ich an Sport und Spielen teil, erhob mich jedoch nie über Mittelmaß. Ich spielte aus Liebe zum Sport, nicht des Ruhmes wegen, denn ich erntete keinen. Wir spielten Rasentennis mit selbstgemachten Holzschlägern und Fußball, barfüßig auf einem Sandplatz.
    In Clarkebury erhielt ich zum erstenmal Unterricht von Lehrern, die selbst eine ordentliche Ausbildung genossen hatten. Mehrere von ihnen besaßen akademische Grade, was äußerst selten war in jener Zeit. Als ich eines Tages zusammen mit Mathona lernte, gestand ich ihr meine Angst, Ende des Jahres durch die Prüfungen in Englisch und Geschichte zu fallen. Da solle ich mir nur keine Sorgen machen, sagte sie, denn unsere Lehrerin, Gertrude Ntlabathi, sei die erste Afrikanerin, die einen B. A. (Bachelor of Arts, akademischer Grad) erlangt habe. »Sie ist zu gescheit, um uns durchfallen zu lassen«, sagte Mathona. Damals hatte ich es noch nicht gelernt, Wissen vorzutäuschen, das ich nicht besaß, und da ich nur eine vage Vorstellung hatte, was ein B. A. war, fragte ich Mathona. »Oh ja, natürlich«, erwiderte sie. »Ein B. A. ist ein sehr langes und schwieriges Buch.« Ich bezweifelte ihre Antwort nicht.
    Wir hatten einen weiteren afrikanischen Lehrer, der gleichfalls einen Bachelor-of-Arts-Grad besaß. Er hieß Ben Mahlasela, und wir bewunderten ihn sehr, nicht nur wegen seiner akademischen Erfolge, sondern auch weil er sich von Reverend Harris nicht einschüchtern ließ. Selbst die weißen Mitglieder des

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