Der lange Weg zur Freiheit
fingen wir das arme Tier, schlachteten es, machten dann ein Feuer und aßen unter den Sternen geröstetes Schweinefleisch. Ich kann mich nicht erinnern, daß mir je zuvor oder jemals seither ein Stück Schweinefleisch so gut geschmeckt hat.
Am Abend vor der Beschneidung gab es in der Nähe unserer Hütten eine Zeremonie mit Gesang und Tanz. Aus den nahen Dörfern kamen Frauen, und wir tanzten zu ihrem Gesang und ihrem Klatschen. Die Musik wurde immer schneller und lauter, unser Tanzen immer rasender, und für einen Augenblick vergaßen wir, was uns am nächsten Morgen erwartete.
Am frühen Morgen, als die Sterne noch am Himmel standen, begannen wir unsere Vorbereitungen. Wir wurden zum Fluß geleitet, um in seinem kalten Wasser zu baden, ein Ritual, das unsere Reinigung vor der Zeremonie bedeutete. Die Zeremonie fand um die Mittagszeit statt. Man befahl uns, auf einer Lichtung in einiger Entfernung vom Fluß in einer Reihe Aufstellung zu nehmen. Wir wurden beobachtet von einer ganzen Schar von Eltern und Verwandten, unter ihnen auch der Regent sowie eine Handvoll von Häuptlingen und Beratern. Wir waren nur mit unseren Wolldecken bekleidet. Als, mit Trommelgedröhn, die Zeremonie ihren Anfang nehmen sollte, mußten wir uns auf einer Decke auf den Boden setzen, die Beine nach vorn gestreckt. Ich war angespannt und beklommen, unsicher, wie ich reagieren würde, wenn der kritische Augenblick kam. Wir durften weder zusammenzucken noch aufschreien; das galt als Zeichen von Schwäche und stigmatisierte die Mannbarkeit. Ich wollte mir keine Schande bereiten, ebensowenig der Gruppe oder meinem Behüter. Die Beschneidung ist eine Probe in Tapferkeit und Stoizismus; es wird keinerlei Betäubungsmittel verwendet; ein Mann muß sie schweigend ertragen.
Nach rechts konnte ich, aus den Augenwinkeln heraus, sehen, wie ein dünner, ältlicher Mann aus einem Zelt trat und vor dem ersten Jungen niederkniete. In der Zuschauermenge herrschte Erregung, und ich schauderte leicht, weil ich wußte, daß das Ritual jetzt begann. Der alte Mann war ein berühmter »Ingcibi«, ein Beschneidungsexperte aus dem Gcalekaland, der sein »Assegai« benutzen würde, um uns mit einem einzigen Streich von Knaben in Männer zu verwandeln.
Plötzlich hörte ich, wie der erste Junge ausrief: »Ndiyindoda!« (»Ich bin ein Mann!«) Man hatte uns beigebracht, dies im Augenblick der Beschneidung zu sagen, und wenig später hörte ich, wie Justice mit erstickter Stimme den gleichen Satz hervorstieß. Jetzt blieben noch zwei Jungen, bevor der »Ingcibi« mich erreichen würde, doch in meinem Kopf muß wohl Leere geherrscht haben, denn bevor ich mir dessen recht bewußt war, kniete der Alte vor mir. Ich blickte ihm direkt in die Augen. Er war blaß, und obwohl der Tag kalt war, glänzte sein Gesicht vor Schweiß. Seine Hände bewegten sich so schnell, daß sie von einer außerweltlichen Macht kontrolliert zu sein schienen. Stumm nahm er meine Vorhaut, zog sie nach vorn, und dann schwang in einer einzigen Bewegung sein »Assegai« herab. Mir war, als ob Feuer durch meine Adern schoß; der Schmerz war so intensiv, daß ich mein Kinn gegen meine Brust preßte. Viele Sekunden schienen zu vergehen, bevor ich mich an den Ausruf erinnerte; dann war ich wieder bei mir und rief: »Ndiyindoda!«
Nach unten blickend, sah ich einen perfekten Schnitt, sauber und rund wie ein Ring. Aber ich gestehe, daß ich Beschämung empfand, weil mir die anderen Jungen so viel stärker zu sein schienen, als ich es gewesen war; sie hatten die Formel prompter ausgerufen als ich. Ich war darüber verstört, daß mich der Schmerz, auch wenn nur für kurze Zeit, handlungsunfähig gemacht hatte, und ich gab mir alle Mühe, die Qualen zu verbergen, die ich noch immer empfand. Ein Junge mag weinen; ein Mann verbirgt seinen Schmerz.
Ich hatte jetzt den entscheidenden Schritt im Leben eines Xhosa-Mannes getan. Jetzt konnte ich heiraten, mein eigenes Heim gründen und meine eigenen Felder pflügen. Ich konnte jetzt zugelassen werden zu den Ratsversammlungen der Gemeinde; meine Worte würden ernst genommen werden; ich konnte Entscheidungen beeinflussen. Bei dieser Zeremonie gab man mir den Namen Dalibunga, was bedeutet »Gründer der Bungha«, welche die traditionelle, herrschende Körperschaft der Transkei war. Für Xhosa-Traditionalisten ist dieser Name akzeptabler als die beiden, die ich zuvor erhalten hatte, Rolihlahla oder Nelson. Ich war stolz, meinen neuen Namen ausgesprochen zu hören:
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