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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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gegen die Bantu-Behörden nahm zu. Immer mehr Sabotageakte wurden begangen, aber auch die Wachsamkeit der Regierung verstärkte sich. John Vorster, der neue Justizminister, während des Zweiten Weltkriegs selbst in Haft, weil er gegen die Unterstützung der Alliierten durch die Regierung opponiert hatte, war ein äußerst unsentimentaler Mann. Für ihn war die eiserne Faust die beste und einzige Antwort auf Subversion.
    Am 1. Mai 1963 erließ die Regierung Gesetze, die zum Ziel hatten, Umkhonto »das Rückgrat zu brechen«, wie Vorster sich ausdrückte. Der General Law Amendment Act, besser bekannt als »90-Tage-Haft-Gesetz«, hob die Habeaskorpusakte auf und ermächtigte jeden Police Officer, jede Person aufgrund eines politischen Verbrechens ohne Haftbefehl festzunehmen. Die Verhafteten konnten ohne Prozeß, Anklage, Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder Schutz vor Selbstbezichtigung bis zu 90 Tagen in Haft gehalten werden. Die 90-Tage-Haft konnte, wie Vorster drohend ankündigte, verlängert werden bis »zur Ewigkeit«. Das Gesetz half mit, das Land in einen Polizeistaat zu verwandeln; kein Diktator konnte mehr Macht begehren, als das 90-Tage-Haft-Gesetz den Behörden gab. Als Folge wurde die Polizei noch brutaler, Gefangene wurden routinemäßig geschlagen, und bald hörten wir von Elektroschocks, Erstickungen und anderen Folterarten. Im Parlament stimmte Helen Suzman, die Abgeordnete der liberalen Progressiv Party, als einzige gegen das Gesetz.
    Die Strafen für die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen wurden angehoben; von fünf Jahren Gefängnis bis zur Todesstrafe reichten die Urteile für die »Förderung der Ziele« des Kommunismus oder anderer verbotener Organisationen. Politische Gefangene wurden erneut in Haft genommen, wie ich im Mai 1963 erfuhr, als Sobukwes dreijährige Gefängnisstrafe abgelaufen war. Statt ihn freizulassen, behielt ihn die Regierung ohne Anklage einfach in Haft und schickte ihn nach Robben Island.
    Vorster setzte auch das Sabotagegesetz vom Juni 1962 ein. Es gestattete Hausarreste und härtere Bannungen, die vor Gericht nicht angefochten werden konnten und die Freiheiten der Bürger wie in den extremsten faschistischen Diktaturen beschnitten. Auf Sabotage selbst stand fortan eine Mindeststrafe von fünf Jahren ohne Bewährung und als Höchststrafe das Todesurteil. Weil das Gesetz so verschwommen formuliert war, konnten selbst Handlungen wie unbefugtes Betreten oder illegaler Waffenbesitz als Sabotage ausgelegt werden. Eine weitere Entscheidung des Parlaments verbot die Wiedergabe aller Erklärungen gebannter Personen. Nichts, was ich sagte oder jemals gesagt hatte, durfte in Zeitungen abgedruckt werden. New Age wurde 1962 verboten, und der Besitz einer verbotenen Publikation wurde zum kriminellen Vergehen, mit bis zu zwei Jahren Gefängnis zu ahnden. Auch Hausarrest wurde eingeführt, und der bekannteste Fall seiner Anwendung war der der weißen politischen Aktivistin Helen Joseph.
     
    EinesNachts gegen Ende Mai trat ein Wärter in meine Zelle und befahl mir, meine Sachen zu packen. Ich fragte ihn nach dem Grund, doch er gab keine Antwort. Kaum zehn Minuten später wurde ich zum Aufnahmebüro geführt, wo drei andere politische Gefangene warteten: Tefu, John Gaetsewe und Aaron Molete. Colonel Aucamp informierte uns knapp, daß wir verlegt würden. Wohin? fragte Tefu. Anleinen sehr schönen Ort, erwiderte Aucamp. Wohin? fragte Tefu. »Die Eiland«, erklärte Aucamp. Die Insel. Es kam nur eine in Frage: Robben Island.
    Wir wurden zu viert aneinandergefesselt und in einen fensterlosen Polizeiwagen gesteckt, in dem nur ein Sanitärkübel stand. Wir fuhren die ganze Nacht hindurch nach Kapstadt und erreichten am späten Nachmittag das Hafengebiet der Stadt. Für aneinandergefesselte Männer ist es weder leicht noch angenehm, in einem fahrenden Wagen einen Sanitärkübel zu benutzen.
    Im Hafengebiet von Kapstadt wimmelte es von bewaffneter Polizei und aufgeregten Beamten in Zivil. Wir mußten, immer noch aneinandergekettet, im Laderaum der alten Holzfähre stehen, was schwierig war, da das Schiff in der Dünung vor der Küste auf- und abschwankte. Ein kleines Bullauge über uns war die einzige Lichtquelle. Das Bullauge diente aber auch noch einem anderen Zweck: Die Wärter machten sich einen Spaß daraus, auf uns herunterzuurinieren. Es war noch hell, als wir an Deck geführt wurden und zum erstenmal die Insel sahen. Grün und schön war sie, und auf den ersten Blick sah sie eher

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