Der lange Weg zur Freiheit
aus kaltem Porridge, legten sich die anderen schlafen. Ich lag auf meiner Decke auf dem Fußboden, als ich hörte, wie jemand gegen das Fenster pochte. Ich blickte auf und sah einen weißen Mann, der mir zuwinkte, zur Scheibe zu kommen. Mir fiel die Warnung des Lieutenant ein, und ich blieb liegen.
Dann hörte ich, wie der Mann flüsterte: »Nelson, komm her!« Daß er meinen Namen kannte, verwirrte mich, und ich beschloß, das Risiko einzugehen. Ich ging zum Fenster und betrachtete ihn. Offenbar begriff er, daß ich dachte, er sei weiß, denn das erste, was er mir zuflüsterte, war: »Ich bin ein farbiger Aufseher von Bloemfontein.« Er erzählte mir dann Neuigkeiten über meine Frau. In den Zeitungen von Johannesburg war ein Bericht erschienen, demzufolge meine Frau mich im Pretoria Local hätte besuchen wollen, doch man habe sie nicht informiert, daß ich nach Robben Island gebracht worden sei. Ich dankte ihm für die Nachricht.
»Rauchen Sie?« fragte er. Ich verneinte, und er wirkte enttäuscht. Dann ging mir ein Licht auf. »Ja, aber meine Freunde rauchen.« Seine Miene hellte sich auf, und er sagte, er würde in wenigen Minuten mit Tabak und Sandwiches zurückkommen. Jetzt waren alle wach. Tefu und John Gaetsewe rauchten, und ich teilte den Inhalt des Tabakbeutels zwischen ihnen auf. Die Sandwiches teilten wir uns alle miteinander.
Während der nächsten Wochen kam der farbige Wächter fast jede Nacht mit Tabak und Sandwiches. Und jede Nacht verteilte ich den Tabak gleichmäßig zwischen Tefu und Gaetsewe. Der Wärter nahm ein großes Risiko auf sich, und er schärfte mir ein, er sei nur bereit, mit mir zu kommunizieren, sonst sei es mit der Verpflegung vorbei.
Als wir auf der Insel ankamen, hatten wir keine Vorstellung davon, wie viele Gefangene es dort noch gab. Innerhalb weniger Tage erfuhren wir, daß es ungefähr 1000 Mann waren, alles Afrikaner und alle erst kürzlich eingetroffen. Die meisten der Männer waren gewöhnliche Sträflinge, aber mir war klar, daß unter ihnen auch einige politische Gefangene waren. Ich wollte mit ihnen Kontakt aufnehmen, doch wir waren vollständig isoliert. Während der ersten Tage blieben wir in unserer Zelle eingesperrt, und wir konnten nicht einmal nach draußen gehen. Wir verlangten, zur Arbeit geschickt zu werden, wie die anderen Gefangenen, und diese Forderung wurde auch bald erfüllt, doch man führte uns allein hinaus, unter der Aufsicht von Kleynhans. Unsere erste Aufgabe bestand darin, ein neuverlegtes Rohr wieder mit Erde zu bedecken; wir arbeiteten auf einem kleinen Hügel und konnten einen Teil der Insel sehen, die ebenso wild wie schön war.
Wir arbeiteten schwer an jenem ersten Tag, doch Kleynhans trieb uns von Tag zu Tag härter an. Er tat dies auf brutale Weise, wie man ein Pferd oder eine Kuh antreibt. »Nee, man. Kom aan! Gaan aan!« (»Nein, Mann. Komm schon. Los doch!«) Schließlich legte Steve, der älter war als wir anderen, seine Schaufel aus der Hand und wurde sofort von Kleynhans bedroht. Doch Steve antwortete in Afrikaans: »Du Ignoramus, der nicht einmal seine eigene Sprache richtig sprechen kann, du kannst mir nicht befehlen, was ich tun soll. Ich werde in meinem eigenen Tempo arbeiten, dazu bin ich bereit, und das ist alles, was ich tun kann.« Dann hob er mit großer Würde seine Schaufel wieder auf und arbeitete weiter. Steve war Lehrer für Afrikaans gewesen, und er sprach auch, außer perfektem Afrikaans, die Muttersprache, Holländisch. Steves sprach mit den Wärtern herablassend und hochtrabend, in einem Stil, der diese wahrscheinlich überforderte. Doch sie waren schlau genug, sich mit ihm nicht in ein Wortgefecht einzulassen.
Es gab zwei Kleynhans-Brüder auf der Insel, und von beiden hieß es, sie hätten Gefangene brutal angegriffen. Wir unterstanden der Aufsicht des älteren Bruders, der wohl ermahnt worden war, sich zurückzuhalten, denn er rührte uns nie an. Der jüngere kannte solche Zurückhaltung nicht. Als wir eines Tages von der Arbeit zurückkehrten, kamen wir auf der Straße an einer Arbeitsgruppe von mehreren hundert Gefangenen vorbei, die in Schubkarren Sand beförderten. Es waren nichtpolitische Gefangene, und unsere beiden Gruppen erhielten den Befehl, anzuhalten, während die beiden Brüder miteinander ein Schwätzchen hielten; der jüngere Bruder befahl einem seiner Männer, ihm unterdessen die Stiefel zu polieren. Ich erkannte in der anderen Arbeitsgruppe einige Männer; sie waren nach dem
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