Der lange Weg zur Freiheit
ist man allein, gibt es keine Zeugen. Mir wurde bewußt, daß ich noch keine Mahlzeit bekommen hatte, und ich schlug gegen die Tür: »Wärter, ich habe noch nichts zu essen bekommen.«
»Du mußt mich Baas nennen«, schrie er zurück. In dieser Nacht blieb ich hungrig.
Sehr früh am nächsten Morgen wurde ich nach Pretoria zurückgebracht. Das Department of Prisons gab der Presse gegenüber eine Erklärung ab, nach der ich meiner eigenen Sicherheit wegen von der Insel verlegt worden sei, denn PAC-Häftlinge hätten einen Anschlag auf mich geplant. Dies war glatt gelogen. Die Behörden hatten ihre eigenen Gründe, mich wieder nach Pretoria zu schaffen, und die wurden bald klar.
Im Pretoria Local wurde ich in Einzelhaft gehalten. Doch Gefangene sind erfindungsreich, und bald bekam ich von einigen ANC-Leuten dort geheime Mitteilungen und andere Botschaften. Ich hatte eine Mitteilung von Henry Fazzie, einem der MK-Kader, die sich in Äthiopien einer militärischen Ausbildung unterzogen hatten und festgenommen worden waren, als sie versuchten, nach Südafrika zurückzukehren. Sie gehörten zu den ersten ANC-Mitgliedern, die nach dem Sabotagegesetz angeklagt werden sollten.
Über unsere geheimen Kommunikationswege versuchte ich ihm und seinen Kameraden bei ihrer Verteidigung zu helfen, und ich schlug vor, sie sollten mit Harold Wolpe Kontakt aufnehmen. Später hörte ich, Wolpe befinde sich in Polizeigewahrsam. Das war für mich der erste Hinweis, daß etwas schiefgegangen war. Als ich eines Tages nach den gewohnten Übungen vom Gefängnishof geführt wurde, sah ich Andrew Mlangeni. Ich hatte ihn zum letztenmal im September 1961 getroffen, als er das Land zum Zweck militärischer Ausbildung verließ. Wolpe, Mlangeni – wer befand sich sonst noch in Haft?
Anfang 1961 war Winnie für zwei Jahre gebannt worden. Von anderen Gefangenen hörte ich, man habe sie kurz zuvor beschuldigt, gegen ihre Bannungen verstoßen zu haben, was Gefängnishaft oder Hausarrest nach sich ziehen konnte. Winnie war eigensinnig; ein Bannungsbefehl war genau das, was sie mit Sicherheit in Rage bringen würde. Ich hatte keinen Zweifel daran, daß sie gegen ihre Anordnungen verstoßen hatte, und ich würde ihr niemals davon abgeraten haben, doch es bekümmerte mich sehr, daß sie vielleicht ins Gefängnis kommen würde.
Als ich im Juli 1963 morgens auf dem Korridor zu meiner Zelle ging, sah ich Thomas Mashifane, der auf der Liliesleaf-Farm Vorarbeiter gewesen war. Ich begrüßte ihn herzlich, obwohl mir klar war, daß man ihn mit Sicherheit zu meinem Korridor gebracht hatte, um zu sehen, ob ich ihn erkennen oder begrüßen würde. Ich konnte einfach nicht anders. Seine Anwesenheit hier konnte nur eines bedeuten: Die Behörden hatten Rivonia entdeckt.
Ein oder zwei Tage später wurde ich zum Gefängnisbüro bestellt, wo ich bekannte Gesichter antraf: Walter, Govan Mbeki, Ahmed Kathrada, Andrew Mlangeni, Bob Hepple, Mitglied des MK-Oberkommandos, der kürzlich von der Ausbildung in China zurückgekehrt war, Elias Motsoaledi, ebenfalls Mitglied des MK, Dennis Goldberg, Ingenieur und Mitglied des Congress of Democrats, Rusty Bernstein, Architekt und gleichfalls Mitglied des COD, und Jimmy Kantor, Rechtsanwalt und Harold Wolpes Schwager. Wir alle wurden der Sabotage beschuldigt und sollten am nächsten Tag vor Gericht erscheinen. Ich hatte von meiner fünfjährigen Gefängnisstrafe erst neun Monate abgesessen.
Gleichsam in Bruchstücken erfuhr ich, was geschehen war. Am Nachmittag des 11. Juli bog ein Fahrzeug der Trockenreinigung die lange Anfahrt zur Farm hinauf. Niemand auf Liliesleaf hatte irgendeine Lieferung bestellt. Das Fahrzeug wurde von einem jungen afrikanischen Wächter angehalten, der jedoch sofort überwältigt wurde, als Dutzende bewaffneter Polizisten mit mehreren Polizeihunden aus den Fahrzeugen sprangen. Sie umzingelten das Grundstück, und eine Handvoll Polizisten drang in das Hauptgebäude und das wichtigste Außengebäude ein. Im letzteren fanden sie, um einen Tisch versammelt, ein Dutzend Männer, die über ein bestimmtes Papier diskutierten. Walter sprang durch ein Fenster, wurde jedoch von einem knurrenden Hund gestellt. Zu den Festgenommenen gehörte auch Arthur Goldreich, der das Pech hatte, gerade dann auf die Farm zu fahren, als die Polizeirazzia in vollem Gange war.
Die Polizei durchsuchte die gesamte Farm und beschlagnahmte Hunderte von Dokumenten und Papieren, fand jedoch keine Waffen. Eines der wichtigsten
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