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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Bauernaufstand in Sekhukhuneland von 1958 zum Tode verurteilt worden, und ich drehte mich um, um sie genauer zu betrachten. Der jüngere Bruder befahl mir grob, in die andere Richtung zu schauen. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, wäre ich nicht voll im Blickfeld der anderen Gefangenen gewesen, doch nun stand mein Stolz auf dem Spiel. Ich weigerte mich, den Kopf zu drehen. Der jüngere Kleynhans kam auf mich zu, unverkennbar mit der Absicht, mich zu schlagen, doch als er nur noch wenige Schritte entfernt war, rannte sein Bruder hinter ihm her, packte ihn, flüsterte ihm einige Worte zu, und der Zwischenfall war vorbei.
    Eines Tages wurden wir vom Gefängnisleiter besucht, der für ganz Robben Island verantwortlich war. Er wollte sich unsere Beschwerden anhören. Theron war ein sauertöpfischer Kerl, dem es unangenehm war, mit Gefangenen von Angesicht zu Angesicht zu verhandeln. Ich wollte ihn nicht gegen mich aufbringen, dachte aber auch nicht daran, mich vor ihm zu ducken. »Wir sind dankbar, daß Sie uns besuchen kommen«, sagte ich, für die Gruppe sprechend, »denn wir haben eine Anzahl von Problemen, für die Sie, dessen bin ich sicher, bestimmt eine Lösung wissen.« Ich zählte die Probleme auf, und als ich damit fertig war, sagte er: »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Vielleicht fand er, daß er zu bereitwillig auf uns eingegangen war, denn beim Hinausgehen blickte er zu Tefu, der einen dicken Bauch hatte, und sagte: »Jou groot penssal in die piek verbruin«, Afrikaans für: »Dein großer Bauch wird hier im Gefängnis verschwinden.«
    »Pens« bedeutet zwar Bauch, doch wird das Wort nur gebraucht, um den Bauch eines Tieres zu bezeichnen, eines Schafs oder Rinds etwa. Das Wort für den Bauch eines Menschen ist »maag«.
    Steve nahm die spitze Bemerkung des Gefängnisleiters nicht gerade freundlich auf, und es war ihm unmöglich, eine Beleidigung auf sich beruhen zu lassen. »Wissen Sie, Captain«, sagte er, »nichts, was Sie tun, kann mir wirklich etwas anhaben, denn ich bin ein Mitglied der revolutionärsten politischen Organisation auf der Welt, der Kommunistischen Partei, die Großes vollbracht hat im Dienst unterdrückter Völker überall auf der Erde. Sie und Ihre erbärmliche National Party werden auf dem Aschenhaufen der Geschichte liegen, wenn wir die Welt beherrschen. Ich bin international besser bekannt als Ihr geistloser Staatspräsident. Wer sind Sie? Ein kleiner Funktionär, der es nicht wert ist, beachtet zu werden. Wenn ich das Gefängnis verlasse, werde ich nicht einmal Ihren Namen kennen.« Theron drehte sich auf dem Hacken um und ging hinaus.
    Die nächtlichen Besuche unseres farbigen Aufsehers haben ein gut Stück dazu beigetragen, das rauhe Leben auf der Insel abzumildern. Aber trotz dieses Luxus war Steve noch unzufrieden. Tefu war ein starker Raucher; manchmal qualmte er die ganze Nacht hindurch, so daß er am nächsten Tag keinen Tabak mehr hatte. Gaetsewe hingegen teilte sich seinen Tabak ein, so daß er ihm nie ausging. Eines Abends, in einer besonders gereizten Stimmung, legte sich Tefu mit mir an. »Nelson«, sagte er, »du bemogelst mich. Du gibst Gaetsewe mehr Tabak als mir.«
    Das stimmte zwar nicht, aber ich dachte, ich könne ein Spielchen mit ihm treiben. »Also gut«, sagte ich. »Jede Nacht, wenn ich den Tabak bekomme, werde ich ihn zuerst in zwei Portionen aufteilen und dich dann wählen lassen, welche du willst.« In jener Nacht und in allen anschließenden teilte ich den Tabak in zwei gleichgroße Haufen und sagte zu Steve: »Wähle!«
    Tefu wand sich regelmäßig vor Unentschlossenheit. Seinen Kopf hin und her drehend, schaute er von einem Haufen zum anderen. Schließlich griff er frustriert nach einer der beiden Portionen, zog damit ab und begann zu rauchen. Ich fand diese Prozedur höchst fair und außerdem lustig; doch Tefu war noch immer unglücklich. Er begann, in der Nähe zu lauern, wenn der Wärter zum Fenster kam, um sicherzugehen, daß ich nicht selbst den Tabak hortete. Dies machte den Wärter beklommen. »Hören Sie«, sagte er mir, »außer mit Ihnen will ich mit keinem etwas zu tun haben. Das ist eine Frage der Sicherheit.« Ich sagte, das verstünde ich, und erklärte Tefu, er solle sich nicht in der Nähe aufhalten, wenn ich mit dem Wärter spräche.
    Als der Aufseher jedoch in der nächsten Nacht am Fenster auftauchte, trat Tefu an das Gitter und sagte zu ihm: »Von jetzt an will ich meinen eigenen Tabak. Geben Sie ihn mir einfach direkt.«

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