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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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und darauf Platz nehmen könne. Obwohl ich wußte, daß es dem Kameraden gegen den Strich ging, nickte ich ihm zu, einzuwilligen.
    Einige Tage später nahmen wir im Unterstand unser Mittagessen ein, als der besagte Aufseher vorüberging. Er hatte noch ein Sandwich bei sich. Er warf es ins Gras neben uns und sagte: »Hier.« Das war seine Art, Freundschaft zu zeigen.
    Das stürzte uns in ein Dilemma. Auf der einen Seite behandelte er uns wie Tiere, denen er einen Brocken zuwerfen konnte, und ich hatte das Gefühl, es untergrabe unsere Würde, wenn wir das Sandwich annähmen. Auf der anderen Seite waren wir hungrig, und wenn wir die Geste zurückwiesen, würden wir den Aufseher beleidigen, den wir uns zum Freund machen wollten. Ich konnte erkennen, daß der Kamerad, der sich dem Wärter freundschaftlich genähert hatte, das Sandwich haben wollte, und ich nickte ihm zu, es aufzunehmen.
    Die Strategie hatte Erfolg, denn der besagte Aufseher wurde uns gegenüber weniger wachsam. Er stellte uns sogar Fragen nach dem ANC. Ein Mann, der für den Gefängnisdienst arbeitet, hat wahrscheinlich zwangsläufig durch die Regierungspropaganda eine Gehirnwäsche erhalten. Er könnte beispielsweise glauben, wir wären Terroristen und Kommunisten, die den weißen Mann ins Meer treiben wollen. Doch wenn wir ihm in aller Ruhe unsere nichtrassistische Haltung oder unseren Wunsch nach Gleichberechtigung oder unsere Pläne für die Neuverteilung des Reichtums erklärten, dann kratzte er sich am Kopf und meinte: »Das macht verdammt mehr Sinn als das, was die Nats (Nationalisten) sagen.«
    Aufseher, die uns freundlich gesinnt waren, erleichterten eine unserer wichtigsten Aufgaben auf Robben Island: die Kommunikation. Wir betrachteten es als unsere Pflicht, in Kontakt mit unseren Männern in den Abteilungen F und G zu bleiben, wo die gewöhnlichen Gefangenen einsaßen. Als politische Gefangene waren wir genauso daran interessiert, unsere Organisation im Gefängnis zu stärken, wie wir es draußen gewesen waren. Kommunikation war für die Koordinierung unserer Proteste und Beschwerden von noch entscheidenderer Bedeutung. Da in der allgemeinen Abteilung mehr Gefangene kamen und gingen, hatten die Männer in G und F im allgemeinen mehr neue Informationen, nicht nur was die Bewegung anging, sondern auch über unsere Freunde und Familien.
    Kommunikation zwischen den Abteilungen war ein schwerer Verstoß gegen die Vorschriften. Wir fanden viele wirksame Wege, um das Verbot zu umgehen. Die Männer, die unsere Essenkübel herbeischafften, waren aus der allgemeinen Abteilung, und in den ersten Monaten gelang es uns, mit ihnen geflüsterte Gespräche zu führen, in denen wir kurze Botschaften übermittelten. Wir bildeten ein geheimes Kommunikationskomitee, dem Kathy, Mac Maharaj, Chiba und mehrere andere angehörten und dessen Aufgabe es war, solche Praktiken zu organisieren.
    Eine unserer ersten Techniken wurde von Kathy und Mac ausgetüftelt. Sie hatten bemerkt, daß während unseres Gangs zum Steinbruch die Aufseher häufig leere Streichholzschachteln wegwarfen. Sie begannen sie insgeheim aufzusammeln, und Mac hatte den Einfall, einen falschen Boden an der Schachtel anzubringen und darin winzige geschriebene Botschaften einzulegen. Laloo Chiba, der einst als Schneider gearbeitet hatte, schrieb winzige kodierte Botschaften, die in der umgebauten Streichholzschachtel untergebracht wurden. Joe Gqabi, ein weiterer MK-Soldat, der bei uns einsaß, trug die Streichholzschachteln während unseres Gangs zum Steinbruch bei sich und legte sie an einer strategischen Kreuzung ab, die, wie wir wußten, die gewöhnlichen Gefangenen passieren würden. In geflüsterten Gesprächen während der Essensausgabe erläuterten wir unseren Plan. Ausgewählte Gefangene von F und G nahmen die Schachteln bei ihren Gängen auf, und wir erhielten auf die gleiche Weise Botschaften. Das war alles andere als perfekt, und wir konnten leicht durch etwas so Simples wie Regen genarrt werden. Bald entwickelten wir effizientere Methoden.
    Wir achteten darauf, wann die Aufseher unaufmerksam waren. Das war etwa während und nach den Mahlzeiten der Fall. Wir halfen uns gegenseitig bei der Essensausgabe, und so arbeiteten wir einen Plan aus, dem zufolge Kameraden aus der allgemeinen Abteilung, die in der Küche arbeiteten, Briefe und Notizen in Plastik einpackten und auf dem Boden der Essenkübel plazierten. Auf gleiche Weise schickten wir Nachrichten zurück, indem wir sie in dieselben

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