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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Plastikhüllen steckten und sie unter die Berge schmutzigen Geschirrs steckten, die in die Küche zurückgebracht wurden. Wir bemühten uns nach Kräften, auf den Geschirrtabletts Unordnung anzurichten, und verteilten Nahrungsreste über alle Teller. Die Aufseher beschwerten sich sogar über das Durcheinander, doch sie machten sich nie die Mühe, das Geschirr zu untersuchen.
    Unsere Toiletten und Duschen grenzten an die Einzelzellen an. Gefangene aus der allgemeinen Abteilung wurden häufig mit Einzelhaft bestraft, und dann benutzten sie dieselben Toilettenanlagen, wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten. Mac entwickelte eine Methode, Notizen in Plastik einzupacken und sie dann unter dem Rand der Toilettenschüssel zu befestigen. Er ermunterte unsere politischen Gefangenen in der allgemeinen Abteilung, sich absichtlich verurteilen und in Einzelhaft stecken zu lassen, damit sie an die Mitteilungen herankommen und Antworten schicken könnten. Die Aufseher nahmen nie die Mühe auf sich, die Toiletten zu untersuchen.
    Um zu verhindern, daß die Behörden unsere Mitteilungen lesen oder verstehen konnten, tüftelten wir Schriften aus, die sich nicht leicht lesen oder entziffern ließen. Eine Methode bestand darin, Botschaften mit Milch zu schreiben. Milch trocknet fast sofort an, und das Papier sieht dann leer aus. Doch wenn wir das Desinfektionsmittel, das wir erhielten, um unsere Zellen zu säubern, auf die getrocknete Milch sprühten, erschien die Schrift wieder. Unglücklicherweise erhielten wir nicht regelmäßig Milch. Wenn bei einem von uns ein Magengeschwür diagnostiziert wurde, benutzten wir seine Milch.
    Eine andere Methode war, in winziger, kodierter Schrift auf Toilettenpapier zu schreiben. Das Papier war so klein und leicht zu verstecken, daß es eine beliebte Methode wurde, Botschaften nach draußen zu schmuggeln. Als die Behörden eine Anzahl dieser Mitteilungen entdeckten, griffen sie zu der außergewöhnlichen Maßnahme, das Toilettenpapier zu rationieren. Damals fühlte sich Govan nicht wohl und brauchte nicht in den Steinbruch, und er erhielt die Aufgabe, für jeden Gefangenen acht Stück Toilettenpapier täglich abzuzählen.
    Doch bei all diesen erfindungsreichen Methoden war eine der besten Möglichkeiten zugleich auch die einfachste: ins Gefängniskrankenhaus überwiesen zu werden. Die Insel hatte nur ein Krankenhaus, und es war schwierig, uns, wenn wir eingewiesen waren, von den gewöhnlichen Gefangenen abzusondern. Zuweilen hatten die Gefangenen aus verschiedenen Abteilungen sogar dieselben Aufseher, und Männer von Abteilung B und Gefangene von F und G kamen zusammen und tauschten Informationen aus über politische Organisationen, Streiks, Arbeit nach Vorschrift, was immer die gerade aktuellen Themen im Gefängnis waren.
    Kommunikation mit der Außenwelt wurde auf zwei Wegen hergestellt: durch Gefangene, deren Zeit abgelaufen war und welche die Insel verließen, und durch Kontakt mit Besuchern. Gefangene, die entlassen wurden, schmuggelten Briefe in ihrer Kleidung oder im Gepäck. Mit Besuchern von draußen war die Situation noch gefährlicher, weil das Risiko auch von den Besuchern getragen wurde. Besuchten uns Rechtsanwälte, durften Aufseher nicht im Raum bleiben, und wir gaben dem Rechtsanwalt zuweilen Briefe, um sie nach draußen zu schaffen. Anwälte wurden nicht durchsucht. Bei solchen Begegnungen konnten wir auch schriftlich kommunizieren, wie wir es beim Rivonia-Prozeß getan hatten. Da der Raum durch Wanzen abgehört wurde, sagten wir etwa: »Bitte, sagen Sie«, machten eine Pause, schrieben: »O. T.«, für Oliver Tambo, auf ein Stück Papier, sagten, »daß wir seinen Plan billigen, die Größe der«, schrieben »National Exekutive«, und sagten »zu verringern.«
    Aus einer in Plastik verpackten Notiz, die in unseren Essenskübeln verborgen war, erfuhren wir im Juli 1966, daß die Männer in der allgemeinen Abteilung aus Protest gegen schlechte Bedingungen in einen Hungerstreik getreten waren. Die Notiz war ungenau, und wir wußten folglich nicht, wann der Streik aufgenommen worden war und gegen was er sich richtete. Doch wir unterstützten jeden Streik von Häftlingen, aus welchen Gründen sie auch streiken mochten. Wir verständigten uns untereinander und beschlossen, mit Beginn unserer nächsten Mahlzeit einen Sympathiestreik zu veranstalten. Ein Hungerstreik bestand nur aus einem: nicht essen.
    Wegen der Zeitverzögerung in unserer Kommunikation erfuhren die gewöhnlichen Gefangenen

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