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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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denn wenn ein Gefangener beschuldigt wurde, dann konnte er eine Rechtsanhörung verlangen, und je nach Schwere der Anschuldigung reiste ein Verwaltungsbeamter von Kapstadt an. Zu jener Zeit lehnten die Behörden Anhörungen ab. Als ich mich darüber beim Internationalen Roten Kreuz beschwerte, bekam ich selbst ein Problem damit. Doch die Situation besserte sich schon bald.
    Während der ersten vier Jahre auf der Insel blieben wir an den Wochenenden in unseren Zellen, und zwar den ganzen Tag über, mit Ausnahme einer halben Stunde sportlicher Betätigung. An einem Samstag bemerkte ich nach der Rückkehr vom Sport im Gefängnishof, daß einer der Aufseher auf einer Bank am Korridorende eine Zeitung liegengelassen hatte. Der Aufseher verhielt sich neuerdings ziemlich freundlich zu uns, und so nahm ich an, daß er die Zeitung nicht zufällig dort liegengelassen hatte.
    Zeitungen sind für politische Gefangene kostbarer als Gold oder Edelsteine, und sie begehren sie mehr als Essen oder Tabak; auf Robben Island waren sie die wertvollste Schmuggelware. Neuigkeiten waren das intellektuelle Rohmaterial des Kampfes. Uns wurden alle Neuigkeiten vorenthalten, und wir verlangten geradezu süchtig nach ihnen. Walter schien mehr noch als ich ohne Neuigkeiten wie beraubt zu sein. Die Behörden versuchten uns einen völligen Blackout an Meldungen aufzuerlegen. Sie wollten nicht, daß wir irgend etwas erfuhren, das geeignet sein könnte, unsere Moral aufzurichten oder uns die Gewißheit zu geben, daß draußen noch Menschen an uns dachten.
    Wir betrachteten es als unsere Pflicht, uns über die Politik des Landes auf dem laufenden zu halten, und wir kämpften lange und hart um das Recht, Zeitungen zu lesen. Über die Jahre entwickelten wir viele Methoden, um an Zeitungen zu kommen, doch nachträglich betrachtet, waren wir nicht sonderlich erfolgreich. Einer der Vorzüge, den es mit sich brachte, in den Steinbruch zu gehen, bestand darin, daß die Sandwiches der Aufseher in Zeitungspapier gewickelt waren und daß sie dieses Umschlagpapier häufig in den Müll warfen, aus dem wir es hinter ihrem Rücken wieder hervorfischten. Wir lenkten den Wärter ab, klaubten das Zeitungspapier aus dem Abfall und ließen es unter unseren Hemden verschwinden.
    Eine der verläßlichsten Methoden, Zeitungen zu bekommen, war Bestechung, und dies war das einzige Gebiet, auf dem ich die ansonsten häufig unethischen Mittel der Informationsbeschaffung tolerieren konnte. Wenn wir eine Zeitung ergattern konnten, dann war es viel zu gefährlich, sie an andere weiterzugeben. Besitz von Zeitungen war ein schweres Vergehen. Statt dessen las einer die Zeitung, gewöhnlich Kathy oder später Mac Maharaj. Kathy war zuständig für Kommunikation, und er hatte sich erfindungsreiche Wege ausgedacht, uns mit Informationen zu versorgen. Kathy las die Zeitung durch und schnitt sich wichtige Beiträge aus, die dann heimlich an uns verteilt wurden. Jeder schrieb eine Zusammenfassung des Beitrags, den er erhalten hatte; diese Zusammenfassungen kursierten dann unter uns und wurden später in die allgemeine Abteilung geschmuggelt. Waren die Behörden besonders wachsam, schrieben Kathy oder Mac ihre Zusammenfassungen der Nachrichten und vernichteten die Zeitung, gewöhnlich indem sie sie in kleine Stücke rissen, und versteckten sie in ihrer Unterhose, welche die Aufseher niemals inspizierten.
     
     
    Als ich die Zeitung auf der Bank bemerkte, verließ ich rasch meine Zelle, ging bis zum Korridorende, schaute in beide Richtungen und nahm die Zeitung von der Bank, um sie unter mein Hemd zu schieben. Normalerweise hätte ich die Zeitung irgendwo in meiner Zelle versteckt und sie erst zur Schlafenszeit hervorgeholt. Doch wie ein Kind, das seine Süßigkeiten vor der Hauptmahlzeit verschlingt, war ich so begierig nach Nachrichten, daß ich die Zeitung sofort in meiner Zelle aufschlug.
    Ich weiß nicht, wie lange ich bereits gelesen hatte, jedenfalls war ich so vertieft in die Zeitung, daß ich keine Schritte hörte. Plötzlich tauchten ein Offizier und zwei weitere Aufseher auf, und ich hatte nicht einmal Zeit, die Zeitung unter mein Bett zu stecken. Ich war sozusagen schwarz auf weiß erwischt worden. »Mandela«, erklärte der Offizier, »wir beschuldigen Sie des Besitzes von Schmuggelware, und dafür werden Sie bezahlen.« Die beiden Aufseher untersuchten sodann gründlich meine Zelle, um festzustellen, ob sie noch etwas anderes finden konnten.
    Innerhalb von einem oder zwei

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