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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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bedient hätten. War jedoch einmal eine Entscheidung herbeigeführt, unterstützte ich sie genauso aus vollem Herzen wie irgendeiner ihrer Befürworter. Tatsächlich war ich sogar während der Streiks häufig in der Position dessen, der schwankende Kollegen, die sich nicht an unsere Abmachung halten wollten, zu rügen hatte. »Madiba, ich möchte mein Essen«, sagte einmal ein Mann, wie ich mich erinnere. »Ich sehe nicht ein, warum ich darauf verzichten soll. Ich habe seit vielen Jahren meinen Mann im Kampf gestanden.«
    Zuweilen aßen Kameraden insgeheim. Wir wußten dies aus einem simplen Grund: Am zweiten Tag des Hungerstreiks brauchte niemand mehr die Toilette aufzusuchen. Doch eines Morgens sieht man dann einen Burschen zur Toilette gehen. Wir hatten unseren eigenen Sicherheitsdienst, denn wir wußten, daß bestimmte Männer in dieser Hinsicht schwach sind.
     
     
    Mittenim Hungerstreik vom Juli 1966 bekam ich von meiner Frau den zweiten Besuch. Es war fast genau zwei Jahre nach dem ersten Besuch, und beinahe wäre es überhaupt nicht dazu gekommen. Seit ihrem ersten Besuch im Jahre 1964 litt Winnie unter ständigen Belästigungen. Ihr Bruder und ihre Schwestern wurden von der Polizei gesucht, und die Behörden versuchten jeden in ihrer Familie davon abzuhalten, mit ihr zusammenzusein. Einiges davon erfuhr ich zu jener Zeit, vieles erst später. Einige der widerwärtigsten Vorgänge wurden mir im Gefängnis zugetragen, denn nach meiner Rückkehr aus dem Steinbruch fand ich häufig einen säuberlich ausgeschnittenen Bericht über Winnie, den Aufseher anonym auf mein Bett gelegt hatten.
    Mit kleinen, boshaften Methoden taten die Behörden ihr Bestes, um Winnies Reisen so unerfreulich wie möglich zu gestalten. In den zurückliegenden zwei Jahren waren ihre Besuche durch lokale Verwaltungsbeamte und durch wiederholte Bannungen, die sie am Reisen hinderten, unterbunden worden. Von einem Rechtsberater hatte ich kurz zuvor erfahren, daß Winnie von der Polizei informiert worden sei, sie könne mich nur besuchen, wenn sie einen Paß bei sich habe. Winnie hatte seit den fünfziger Jahren gegen die Regierungspolitik hinsichtlich der Pässe von Frauen protestiert, und so lehnte sie es jetzt strikt ab, das verhaßte Dokument bei sich zu tragen. Die Behörden wollten sie und mich erniedrigen, das war unverkennbar. Doch ich dachte, es sei wichtiger, daß wir uns sehen konnten, als den kindischen Machenschaften der Behörden Widerstand zu leisten, und Winnie stimmte schließlich zu, einen Paß bei sich zu tragen. Ich vermißte sie außerordentlich und brauchte die Gewißheit, sie sehen zu können. Außerdem hatten wir eine wichtige Familienangelegenheit zu besprechen.
    Die Winnies Besuche betreffenden Regeln waren langwierig und kompliziert. Es war ihr verboten, einen Zug oder ein Auto zu benutzen, sondern sie hatte ein Flugzeug zu nehmen, was die Reise erheblich teurer gestaltete. Sie hatte die kürzeste Strecke vom Flughafen zum Caledon-Platz zu nehmen, wo sich die Polizeistation von Kapstadt befand; dort hatte sie verschiedene Dokumente zu unterzeichnen. Derselben Station hatte sie auf dem Rückweg Bericht zu erstatten und wiederum mehrere Dokumente zu unterschreiben.
    In einem Zeitungsausschnitt hatte ich auch gelesen, daß ein Angehöriger der Special Branch (Sicherheitsabteilung) in unser Haus in Orlando eingedrungen sei und daß Winnie ihn in ihrem Zorn aus dem Schlafzimmer geworfen hatte, wo sie gerade dabeigewesen war, sich anzuziehen. Der Lieutenant erstattete später Anzeige gegen sie wegen Körperverletzung, und ich bat meinen Freund und Kollegen George Bizos, ihre Verteidigung zu übernehmen, was er auch mit allem Geschick tat. Wir hatten in den Zeitungen Berichte darüber gelesen, und einige Männer machten sogar Witze über Winnies Streitlust. »Du bist nicht der einzige Boxer in der Familie, Madiba«, meinten sie.
    Der zweite Besuch dauerte nur eine halbe Stunde, und dabei hatten wir soviel zu besprechen. Winnie war ein wenig erregt über die grobe Behandlung in Kapstadt und über die Tatsache, daß sie wie immer im Laderaum der Fähre hatte fahren müssen, im Rauch der Schiffsmaschinen, der sie krank machte. Sie hatte sich Mühe gegeben, sich schön für mich zu kleiden, doch sie sah dünn und mitgenommen aus.
    Wir sprachen über die Erziehung der Kinder, den Gesundheitszustand meiner Mutter, der nicht sehr gut war, und über unsere Finanzen. Ein kritischer Punkt war die Erziehung von Zeni und Zindzi.

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