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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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wahrscheinlich einen Tag oder mehr nichts von unserer Teilnahme. Doch wir wußten, daß die Nachricht sie bestärken würde. Die Behörden würden ihnen erklären, daß wir uns nicht an ihrem Streik beteiligten, sondern uns an opulenten Mahlzeiten ergötzten. Das war die übliche Arbeitsweise: In einer Krise starteten die Behörden stets eine Desinformationskampagne, um eine Abteilung gegen die andere auszuspielen. In diesem Fall unterstützte der ANC den Streik einmütig, einige PAC-Leute in der allgemeinen Abteilung hingegen nicht.
    Während unseres ersten Streiktages erhielten wir unsere normalen Rationen und verweigerten die Annahme. Am zweiten Tag bemerkten wir, daß unsere Portionen größer waren und daß ein wenig mehr Gemüse dem Brei beigetan war. Am dritten Tag wurden saftige Fleischstücke in Soße serviert. Am vierten Tag glänzte der Haferbrei von Fett, und große Fleischbrocken und farbenprächtiges Gemüse dampften auf dem Breihügel. Die Mahlzeit ließ uns das Wasser im Munde zusammenlaufen. Die Aufseher grinsten, als wir das Essen zurückwiesen. Die Versuchung war groß, doch wir widerstanden, obwohl wir im Steinbruch besonders hart herangenommen wurden. Wir erfuhren, daß in der Hauptabteilung Häftlinge zusammengebrochen und in Schubkarren fortgeschafft worden waren.
    Ich wurde zu einem Gespräch mit Colonel Wessels in das Direktionsbüro gerufen. Solche Gespräche waren delikat, denn meine Mithäftlinge wußten, daß die Behörden versuchen würden, mich zu bewegen, den Streik abzusagen. Wessels war ein Mann des direkten Worts, und er verlangte zu wissen, warum wir in den Hungerstreik getreten waren. Ich erklärte ihm, als politische Gefangene betrachteten wir den Protest gegen Haftbedingungen als Fortsetzung unseres Antiapartheidkampfes. »Aber Sie wissen ja gar nicht, warum sie in F und G streiken«, erklärte er. Das spiele keine Rolle, sagte ich, die Männer in G und F seien unsere Brüder, unser Kampf sei unteilbar. Er schnaubte und ließ mich gehen.
    Am folgenden Tag erfuhren wir von einem ungewöhnlichen Gang der Dinge: Die Aufseher waren selbst in einen Essenboykott getreten und lehnten es ab, ihre eigene Cafeteria aufzusuchen. Sie streikten nicht, um uns zu unterstützen, sondern meinten, wenn wir so etwas tun könnten, dann sie auch. Sie verlangten bessere Nahrungsmittel und bessere Lebensbedingungen. Diese Kombination aus zwei Streiks war zuviel für die Behörden. Sie einigten sich mit den Aufsehern, und ein oder zwei Tage später erfuhren wir, daß die Behörden die allgemeine Abteilung aufgesucht und drei Vertreter verlangt hätten, um mit ihnen über Änderungen zu verhandeln. Die allgemeinen Gefangenen verkündeten ihren Sieg und brachen den Hungerstreik ab. Wir folgten einen Tag später.
     
     
    Das war der erste und zugleich der erfolgreichste Hungerstreik auf der Insel. Als Form des Protests hat dieser Streik keine hohe Erfolgsquote, und das Prinzip dahinter ist mir immer als Donquichotterie erschienen. Damit ein Hungerstreik Erfolg hat, muß die Welt draußen davon erfahren. Sonst hungern die Gefangenen sich zu Tode, und niemand erfährt davon. Rausgeschmuggelte Informationen über unseren Hungerstreik würden Zeitungsberichte auslösen, die ihrerseits Anwaltsgruppen zur Ausübung von Druck veranlaßten. Das Problem, vor allem in den frühen Jahren, bestand darin, daß es fast unmöglich war, die Leute draußen davon in Kenntnis zu setzen, daß wir hier drinnen in einen Hungerstreik getreten waren.
    Für mich waren Hungerstreiks viel zu passiv. Wir hatten bereits zu leiden, und durch einen Hungerstreik gefährdeten wir unsere Gesundheit, spielten sogar mit dem Tode. Ich habe immer eine aktivere, militantere Protestform vorgezogen, wie Arbeitsniederlegungen, Arbeit nach Vorschrift oder die Ablehnung von Reinigungsarbeiten; Aktionen also, welche die Behörden und nicht uns selbst trafen. Sie wollten Gestein aus dem Steinbruch, wir produzierten keins. Sie wollten den Gefängnishof sauber haben, wir standen untätig herum. Diese Art des Verhaltens quält und ärgert sie, während sie sich heimlich freuen, denke ich, uns hungern zu sehen.
    Doch wenn eine Entscheidung anstand, wurde ich häufig überstimmt. Meine Kollegen beschuldigten mich sogar im Scherz, ich wolle nur nicht auf eine Mahlzeit verzichten. Die Befürworter von Hungerstreiks argumentierten, es sei eine traditionell akzeptierte Protestform, deren sich in der ganzen Welt so prominente Volksführer wie Mahatma Gandhi

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