Der lange Weg zur Freiheit
Tagen wurde ein Magistrate von Kapstadt herbeigeholt, und ich wurde in den Raum des Verwaltungsgebäudes geführt, der als Gericht der Insel diente. In diesem Falle waren die Behörden gewillt, einen Verwaltungsbeamten von draußen herbeizuschaffen, weil sie wußten, daß dies ein eindeutiger Fall war. Ich verzichtete auf einen Verteidiger und wurde zu drei Tagen Einzelhaft und Entzug von Mahlzeiten verurteilt.
Die Einzelzellen befanden sich in demselben Gebäudekomplex, aber in einem anderen Flügel. Wenngleich sie nur auf der anderen Seite des Hofes lagen, so hatte man doch das Gefühl von ungeheurer Entfernung. In der Isolierung war man ohne Gesellschaft, ohne sportliche Betätigung und sogar ohne Nahrung; man erhielt drei Tage lang nur dreimal täglich Reiswasser. (Reiswasser ist einfach Wasser, in dem Reis gekocht wurde.) Im Vergleich dazu war unsere normale Essensration wie ein Festmahl.
Der erste Tag in Einzelhaft war immer der schlimmste. Man war an regelmäßiges Essen gewöhnt, und der Körper war auf den Nahrungsentzug nicht eingestellt. Am zweiten Tag war ich auf den Nahrungsmangel mehr oder weniger eingestellt, und am dritten Tag verspürte ich kaum noch Hunger. Solcher Nahrungsentzug war auch für Afrikaner im Alltagsleben nicht ungewöhnlich. In meinen ersten Jahren in Johannesburg war ich über Tage hin ohne Nahrung gewesen.
Wie ich bereits erwähnt habe, hielt ich die Einzelhaft für den abscheulichsten Bestandteil des Gefängnislebens. In der Isolierung gab es keinen Anfang und kein Ende; da war nur das eigene Bewußtsein, das anfangen konnte, einem Streiche zu spielen. War dies ein Traum, oder ist das tatsächlich geschehen? Man beginnt alles in Frage zu stellen. Habe ich die richtige Entscheidung getroffen, ist mein Opfer es wert? In der Einsamkeit gibt es kein Entrinnen vor diesen Fragen, die einen ständig heimsuchen.
Doch der menschliche Körper hat eine enorme Fähigkeit zur Anpassung an unangenehme Umstände. Ich habe festgestellt, daß man das Unerträgliche ertragen kann, wenn man die Stärke seines Geistes bewahren kann, auch dann, wenn der Körper gefordert wird. Starke Überzeugungen sind das Geheimnis des Überlebens von Deprivationen; unser Geist kann voll sein selbst dann, wenn unser Magen leer ist.
In jenen frühen Jahren wurde Isolierung zur Regel. Wir wurden routinemäßig wegen der kleinsten Unregelmäßigkeiten angeklagt und zu Einzelhaft verurteilt. Wegen eines Blicks zur Seite konnten einem Mann mehrere Mahlzeiten entzogen werden, oder er konnte dafür bestraft werden, daß er nicht aufstand, als ein Aufseher den Raum betrat. Einige PAC-Mitglieder, die häufig gegen die Regeln verstießen, ohne irgendeinen besonderen Anlaß zu haben, verbrachten einen großen Teil ihrer Zeit in Einzelhaft. Die Behörden glaubten, Einzelhaft sei ein Heilmittel gegen unsere Mißachtung und Aufsässigkeit.
Das zweite Mal, daß ich beschuldigt wurde und deswegen einige Zeit in Einzelhaft zubrachte, war kurze Zeit nach dem ersten Mal. Wie ich bereits erwähnt habe, hatten wir große Mühe, unsere Beschwerden vorzutragen. Die Abgeschiedenheit des Gefängnisses ließ die Behörden glauben, sie könnten uns straflos ignorieren. Sie waren der Meinung, wenn sie sich uns gegenüber taub stellten, würden wir frustriert aufgeben und die Menschen draußen würden uns vergessen.
Eines Tages arbeiteten wir im Kalksteinbruch, als der kommandierende Offizier auftauchte, um uns zu beobachten; er war in Begleitung eines Herrn, den wir zunächst nicht erkannten. Einer meiner Kollegen flüsterte mir zu, das sei Brigadier Aucamp von der Hauptverwaltung, der Kommandeur unseres Kommandeurs. (Nicht zu verwechseln mit Lieutenant Aucamp vom Gefängnis Pretoria Local, der während des Rivonia-Prozesses nach uns schaute.) Die beiden Männer standen in einiger Entfernung und beobachteten uns.
Aucamp war ein kleiner, untersetzter Mann, der statt einer Militäruniform einen Anzug trug. Normalerweise erschien er jedes zweite Jahr auf der Insel zur Inspektion. Bei diesen Gelegenheiten hatten wir Befehl, in Habachtstellung am Gitter unserer Zelle zu stehen und unsere Gefängniskarte hochzuhalten, während er vorbeiging.
Ich beschloß, Aucamps unerwartetes Auftauchen als einzigartige Gelegenheit zu nutzen, unsere Beschwerden dem Mann vorzutragen, der über die Macht verfügte, die Mißstände abzustellen. Ich legte meine Spitzhacke nieder und schickte mich an, zu ihm hinüberzugehen. Die Aufseher schauten
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