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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Suzman, das einzige Mitglied der liberalen Progressive Party und die einzige Stimme der Opposition im Parlament gegen die Nationalisten, werde in Kürze eintreffen. In weniger als 15 Minuten kam Mrs. Suzman – ganze 1,55 Meter groß – durch den Eingang zum Zellenkorridor, in Begleitung von General Steyn, dem Leiter der Gefängnisverwaltung. Jeden Gefangenen, dem sie vorgestellt wurde, fragte sie, ob er irgendwelche Beschwerden vorzubringen habe. Jeder Mann antwortete mit demselben Satz: »Ich habe viele Beschwerden, aber unser Sprecher ist Mr. Nelson Mandela am Ende des Korridors.« Zum Entsetzen von General Steyn war Mrs. Suzman schnell bei meiner Zelle. Sie drückte mir fest die Hand und stellte sich freundlich vor.
    Anders als Richter und Verwaltungsbeamte (Magistrates), denen automatisch Zugang zu Gefängnissen gewährt wurde, mußten Parlamentsmitglieder eine Erlaubnis zum Besuch eines Gefängnisses einholen. Mrs. Suzman war eines der wenigen, wenn nicht das einzige Parlamentsmitglied, das sich für die Klagen politischer Gefangener interessierte. Über Robben Island kursierten viele Geschichten, und Mrs. Suzman war erschienen, um sich selbst zu überzeugen.
    Da dies der erste Besuch von Mrs. Suzman auf Robben Island war, versuchte ich, ihr die Befangenheit zu nehmen. Doch sie war bemerkenswert selbstsicher und äußerst unbeeindruckt von ihrer Umgebung, und sie schlug vor, wir sollten sofort zur Sache kommen. General Steyn und der kommandierende Offizier standen bei ihr, doch ich nahm kein Blatt vor den Mund. Ich sprach von unserem Wunsch nach besserem und gleichem Essen und nach besserer Kleidung, von der Notwendigkeit, Einrichtungen zum Studieren zu bekommen, von unserem Recht auf Information, etwa durch Zeitungen, und über vieles mehr. Ich berichtete ihr über die Grobheit der Aufseher und erwähnte im besonderen Van Rensburg. Ich betonte, er trage auf seinem Handgelenk eine Hakenkreuz-Tätowierung. Helen reagierte wie ein Richter. »Nun, Mr. Mandela«, erklärte sie, »wir brauchen das nicht weiter auszubreiten, denn wir wissen nicht, wann sie angebracht wurde. Vielleicht haben seine Eltern die Tätowierung angebracht, zum Beispiel.« Ich versicherte ihr, das sei nicht der Fall.
    Normalerweise beklagte ich mich nicht über einen einzelnen Aufseher. Im Gefängnis lernt man, daß es besser ist, für allgemeine Grundsätze zu kämpfen, statt sich in jeden Einzelfall verwickeln zu lassen. Wie gefühllos ein Aufseher auch sein mag, für gewöhnlich befolgt er nur die Gefängnispolitik. Doch Van Rensburg war eine Gattung für sich, und wir glaubten, wenn er ginge, wäre das für uns alle von großem Vorteil.
    Mrs. Suzman hörte aufmerksam zu, hielt alles, was ich sagte, in einem kleinen Notizbuch fest und versprach, alle Fragen mit dem Justizminister zu erörtern. Dann inspizierte sie unsere Zellen und sprach auch ein wenig mit den anderen Männern. Es war ein seltsamer und zugleich wundervoller Anblick, diese mutige Frau dabei zu beobachten, wie sie in unsere Zellen spähte und anschließend in unserem Hof umherwanderte.
    Während des Besuchs von Mrs. Suzman war Van Rensburg äußerst nervös. Nach den Worten von Kathy entschuldigte sich Van Rensburg für alles, was er in der Vergangenheit getan hatte, während Mrs. Suzman und ich miteinander sprachen. Doch seine Reue währte nicht lange, denn am nächsten Tag teilte er uns mit, alle gegen uns erhobenen Beschuldigungen seien wieder in Kraft. Später erfuhren wir, Mrs. Suzman habe unseren Fall im Parlament zur Sprache gebracht, und binnen weniger Wochen nach ihrem Besuch wurde »Suitcase« von der Insel versetzt.
     
     
    Ich habe mir nie vorgestellt, der Kampf würde kurz oder leicht sein. Die ersten Jahre auf der Gefängnisinsel waren schwierige Zeiten sowohl für die Organisation draußen wie auch für uns im Gefängnis. Nach dem Rivonia-Prozeß war der Untergrundorganisation unserer Bewegung arg zugesetzt worden. Unsere Strukturen waren aufgedeckt und zerstört worden; wer nicht festgenommen war, bemühte sich angestrengt, immer einen Schritt weiter als der Gegner zu sein. Praktisch jeder der älteren ANC-Führer war entweder im Gefängnis oder im Exil.
    In den Jahren nach dem Rivonia-Prozeß nahm die Auslandsmission des ANC, früher verantwortlich für die Beschaffung von Finanzmitteln, für Diplomatie und Aufstellung eines militärischen Trainingsprogramms, die Zügel der Organisation insgesamt in die Hand. Die Auslandsmission hatte nicht nur eine

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