Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
Vom Netzwerk:
Exilorganisation zu schaffen, sondern hatte auch die noch gewaltigere Aufgabe übernommen, den Untergrund-ANC in Südafrika selbst neu zu beleben.
    Der Staat war stärker geworden. Der Polizei war mehr Macht zugewachsen, ihre Methoden waren rauher geworden, ihre Techniken ausgefeilter. Die südafrikanische Defense Force expandierte. Die Wirtschaft war stabil, die weiße Wählerschaft ohne Sorgen. Die südafrikanische Regierung hatte in England und den Vereinigten Staaten mächtige Verbündete, denen daran gelegen war, den Status quo aufrechtzuerhalten.
    Doch anderswo war der Kampf gegen den Imperialismus auf dem Vormarsch. Mitte der sechziger Jahre wurden im ganzen südlichen Afrika bewaffnete Kämpfe ausgetragen. In Namibia, dem damaligen Südwestafrika, drang die SWAPO zum erstenmal in den Caprivi-Streifen ein; in Mosambik und Angola wuchsen die Guerillabewegungen und dehnten sich aus. In Simbabwe, damals Rhodesien, machte der Kampf gegen die weiße Minderheitsregierung Fortschritte. Ian Smiths weiße Regierung wurde unterstützt von der südafrikanischen Defense Force, und der ANC betrachtete die Schlacht in Simbabwe als Ausweitung des Kampfes im eigenen Land. 1967 erfuhren wir, daß der ANC eine Allianz eingegangen war mit der Zimbabwe African People’s Union (ZAPU), die von Joshua Nkomo ins Leben gerufen worden war.
    In jenem Jahr überschritt eine Gruppe von MK-Soldaten, die in Tansania und Sambia ausgebildet worden waren, den Zambezi River nach Rhodesien in der Absicht, in die Heimat zurückzukehren. Die erste Gruppe von MK-Soldaten erhielt den Namen »Luthuli Detachment«, und sie bildeten die Vorhut des bewaffneten Kampfes. Im August wurde das »Luthuli Detachment«, begleitet von ZAPU-Truppen, auf dem Weg in den Süden von rhodesischen Truppen gestellt. Über die nächsten zwei Wochen entspannen sich heftige Gefechte; beide Seiten erlitten Verluste. Schließlich wurden unsere Truppen durch die zahlenmäßig überlegenen rhodesischen Streitkräfte aufgerieben. Einige Männer gerieten in Gefangenschaft, andere setzten sich nach Bechuanaland ab, das zum unabhängigen Botswana geworden war. Anfang 1968 drang eine größere ANC-Einheit nach Rhodesien ein und kämpfte nicht nur gegen die rhodesische Armee, sondern auch gegen südafrikanische Polizei-Einheiten, die nach Rhodesien versetzt worden waren.
    Wir hörten davon erst Monate später durch Gerüchte, erfuhren aber die ganze Wahrheit erst, als Männer, die mitgekämpft hatten, zu uns ins Gefängnis kamen. Wenngleich unsere Streitkräfte nicht siegreich gewesen waren, begrüßten wir doch insgeheim den Umstand, daß unsere MK-Kader den Feind unter von ihnen gewählten Umständen in Kämpfe verwickelt hatten. Es war ein Meilenstein in unserem Kampf. »Justice« Panza, einer der Kommandeure der »Luthuli Detachment«, wurde später inhaftiert und kam zu uns. Er informierte uns über das Militärtraining, die politische Erziehung und die Kampfmoral der Detachments. Als früherer Oberkommandierender des MK war ich auf unsere Soldaten mächtig stolz.
    Bevor wir von den Kämpfen des MK im Ausland hörten, erfuhren wir auch, daß zu Hause Häuptling Luthuli gestorben war, und zwar unter merkwürdigen Umständen: Er war in der Nähe seiner Farm, wo er oft spazierenging, von einem Zug überfahren worden. Ich erhielt die Genehmigung, einen Brief an seine Witwe zu schreiben. Luthulis Tod hinterließ in der Organisation eine große Lücke; der Nobelpreisträger war eine angesehene, international bekannte Persönlichkeit, die bei Schwarzen und Weißen gleichermaßen Respekt genoß. Deshalb war er nicht zu ersetzen. Dennoch fand die Organisation in Oliver Tambo, dem amtierenden General des ANC, einen Mann, der in die Fußstapfen des Häuptlings treten konnte. Wie Luthuli war er energisch, ohne zu protzen, und selbstbewußt, aber dennoch bescheiden. Außerdem lebte er nach dem gleichen Motto wie Luthuli: »Der Mut wächst mit der Gefahr.«
    Wir organisierten in Abteilung B einen kleinen Gedenkgottesdienst für den Häuptling und gestatteten jedem, der es wünschte, eine Rede zu halten. Es war eine stille, ehrfurchtsvolle Feier, in die sich nur ein einziger Mißklang mischte. Als Neville Alexander von der Einheitsbewegung sprach, wurde deutlich, daß er den Häuptling nicht loben, sondern begraben wollte. Ohne auch nur oberflächlich sein Bedauern über Luthulis Tod zu äußern, warf er ihm vor, er habe sich zum Narren der Weißen gemacht, vor allem weil er den

Weitere Kostenlose Bücher