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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Friedensnobelpreis angenommen habe.
    Nevilles Rede war nicht nur verbohrt, sie stand auch in völligem Gegensatz zu der Atmosphäre der Kooperation zwischen den Organisationen, die wir auf der Insel schaffen wollten. Von dem Augenblick an, als ich dort eintraf, hatte ich es mir zur Aufgabe gemacht, mit unseren Konkurrenten im Kampf zu einer gewissen Gemeinsamkeit zu gelangen. Ich betrachtete Robben Island als Gelegenheit, die langen und oft erbitterten Auseinandersetzungen zwischen PAC und ANC beizulegen. Wenn wir die beiden Organisationen auf der Insel vereinigen konnten, wäre das ein Vorbild für ihre Vereinigung im gesamten Befreiungskampf gewesen.
    Aber die Beziehungen zum PAC waren von Anfang an mehr von Konkurrenz als von Zusammenarbeit geprägt. Einige PAC-Leute waren schon früher auf der Insel gewesen und sahen in unserer Ankunft ein Eindringen in ihren Einflußbereich. Wie wir von einigen unserer Leute erfuhren, hatten die ältesten Gefangenen aus dem PAC es bedauert, daß man uns nicht gehängt hatte.
    Als ich 1962 zum erstenmal auf die Insel kam, war der PAC dort in viel größerer Zahl vertreten als der ANC. Im Jahr 1967 war es umgekehrt, aber das schien die PAC-Leute in ihrer Haltung nur zu bestärken. Sie waren unverhohlen anti-kommunistisch und anti-indisch eingestellt. In den ersten Jahren führte ich Gespräche mit Zeph Mothopeng, der dem Nationalen Exekutivkomitee des PAC angehört hatte. Nach seiner Ansicht war der PAC militanter als der ANC, und im Gefängnis, so meinte er, solle der ANC die Führungsrolle seiner Organisation anerkennen. Die PAC-Leute waren überzeugt, die Verhandlungen mit den Behörden seien ein Betrug, aber das hielt sie nicht davon ab, sich der Vorteile zu bedienen, die sich aus diesen Verhandlungen ergaben. Im Jahr 1967 sprach ich mit Selby Ngendane über die Frage einer Vereinigung. Außerhalb des Gefängnisses war Ngeudane ein erbitterter Gegner der Freiheits-Charta gewesen, aber jetzt war er weich geworden. Schließlich schrieben wir getrennte Briefe an unsere Organisationen in der allgemeinen Abteilung, in denen wir die Vereinigung befürworteten. Auch mit Clarence Makwetu, der später Präsident des PAC wurde, kam der ANC gut zurecht. Makwetu, ein früheres Mitglied der ANC-Jugendliga, befand sich in unserem Block; er war ein ausgeglichener, einfühlsamer Mann. Wir führten viele fruchtbare Diskussionen über die Vereinigung der beiden Organisationen, aber nachdem Makwetu entlassen worden war, folgte ihm John Pokela als Leiter des PAC auf Robben Island, und nun verliefen die Gespräche im Sande.
    Die Unsicherheit des PAC hatte manchmal geradezu komische Folgen. Einmal kam aus Pretoria die Anweisung, mich im Steinbruch von allen anderen Gefangenen zu isolieren. Ich sollte allein arbeiten, allein essen und einen eigenen Wächter bekommen. Wir bemerkten, daß diese neue Verfügung beim PAC eine gewisse Unruhe hervorrief. Ein paar Tage später entschloß sich der PAC, seinen Leiter Zeph Mothopeng ebenfalls zu isolieren; aus eigener Entscheidung ließen sie ihn ebenfalls allein arbeiten und essen, solange diese Regelung für mich galt.
    Der PAC verweigerte oft die Teilnahme an Versammlungen, bei denen die Parteizugehörigkeit nicht klar zu erkennen war. Als wir Treffen einberiefen, um über unsere Unzufriedenheit zu sprechen, und als wir später in eigenen Sitzungen über die Nachrichten aus der Zeitung diskutierten, wurden diese Veranstaltungen vom PAC boykottiert. Ich fand das höchst ärgerlich. Wie wir erfuhren, wußten die PAC-Leute nicht, welche Veränderungen draußen in ihrer eigenen Organisation vorgingen. Zu jener Zeit weigerten sich die PAC-Mitglieder auf der Insel, unseren Berichten zu glauben, wonach der PAC im Exil jetzt auch Weiße und Inder als Mitglieder aufnahm. Das war für sie Frevel, aber wir hatten in der Zeitung gelesen, daß der weiße Aktivist Patrick Duncan in die PAC-Exekutive gelangt war. Die PAC-Mitglieder verspotteten solche Behauptungen damals als Propaganda des ANC.
    Der ANC bildete auf der Insel eine eigene Unterorganisation, die als High Command oder offizieller als High Organ bekannt wurde; sie bestand aus den obersten Führern des ANC auf Robben Island, die auch zum Nationalen Exekutivkomitee gehört hatten: Es waren Walter Sisulu, Govan Mbeki, Raymond Mhlaba und ich selbst als Vorsitzender des High Organ.
    Schon bei der Gründung des High Organ beschlossen wir, daß dieses Gremium die Politik des ANC draußen nicht beeinflussen sollte.

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