Der lange Weg zur Freiheit
möchte, daß Sie sich bei dem Gefängnisleiter melden.«
Wir wurden dem Lieutenant, dem Gefängnisleiter, vorgeführt, und Van Rensburg verkündete: »Diese Männer haben den ganzen Tag nicht gearbeitet. Ich beschuldige sie der Mißachtung von Anordnungen.« Der Lieutenant fragte uns, ob wir dazu etwas zu sagen hätten. »Lieutenant«, entgegnete ich, »wir bestreiten die Anschuldigungen. Wir haben gearbeitet, ja, wir haben sogar Beweise dafür, daß wir gearbeitet haben, und die sind für unsere Verteidigung wichtig.« Der Lieutenant höhnte: »Alle Männer arbeiten auf demselben Gelände, wie ist es da möglich, daß Sie Beweise haben?« Ich erklärte, Fiks und ich hätten abseits der anderen gearbeitet, wir könnten ihm genau zeigen, wieviel Arbeit wir geleistet hätten. »Suitcase« bestätigte naiv, daß wir allein gewesen seien, und der Lieutenant willigte ein, sich selbst zu überzeugen. Wir fuhren zum Steinbruch zurück.
Dort gingen Fiks und ich zu dem Platz, wo wir gearbeitet hatten. Ich zeigte auf den ziemlich großen Haufen von Steinen und Kalk, den wir aufgeschichtet hatten, und erklärte: »Dort, das haben wir heute getan.«
»Suitcase« hatte sich nie auch nur die geringste Mühe gegeben, unsere Arbeit zu überprüfen, und war von der Menge völlig überrascht. »Nein«, erklärte er dem Lieutenant, »das ist das Ergebnis von einer Woche Arbeit.« Der Lieutenant war skeptisch. »Gut, dann zeigen Sie mir den kleinen Haufen, den Mandela und Bam heute geschafft haben«, forderte er »Suitcase« auf. Der fand keine Antwort, und der Lieutenant tat etwas, was ich einen vorgesetzten Offizier selten habe tun sehen: Er beschimpfte seinen Untergebenen in Gegenwart von Gefangenen. »Sie erzählen Lügen«, erklärte er und zog die Beschuldigungen auf der Stelle zurück.
Eines Morgens zu Anfang des Jahres 1967 wollten wir gerade zum Steinbruch abmarschieren, als »Suitcase« uns mitteilte, er habe von Major Kellerman den Befehl erhalten, wir dürften nicht miteinander sprechen. Von da an war es nicht nur verboten, während unseres Marsches zu reden, sondern auch im Steinbruch war jede Unterhaltung verboten. Von nun an brüllte »Suitcase«: »Ruhe!«
Dieser Befehl wurde mit großem Entsetzen und mit ohnmächtigem Zorn aufgenommen. Zu reden und zu diskutieren war das einzige, was die Arbeit im Steinbruch erträglich machte. Natürlich konnten wir das Thema nicht auf unserem Weg zum Steinbruch erörtern, denn es war uns verboten zu sprechen, doch während unserer Mittagspause konnten die ANC-Führung und die Leiter anderer politisier Gruppen im geheimen einen Plan austüfteln.
Während wir noch mit dem Plan beschäftigt waren, erschien Major Kellerman höchstpersönlich und kam in unseren Unterstand. Das war ganz unüblich; wir hatten in unserem niedrigen Unterstand nie einen solch hochrangigen Besucher gehabt. Mit einem verlegenen Husten verkündete er, bei dem Befehl handele es sich um ein Versehen, wir könnten im Steinbruch wieder sprechen, solange wir es ruhig täten. Dann forderte er uns auf, weiterzumachen, drehte sich auf dem Absatz herum und verschwand. Wir waren glücklich darüber, daß der Befehl zurückgenommen war, waren aber voller Argwohn, was den Grund betraf.
Für den Rest des Tages hatten wir nicht schwer zu arbeiten. »Suitcase« tat sein Bestes, freundlich zu uns zu sein, und erklärte, als Geste des guten Willens habe er sich entschlossen, alle gegen uns vorliegenden Beschuldigungen zurückzuziehen.
An jenem Nachmittag erfuhr ich, daß meine Zelle von Nr. 4 in der Nähe des Eingangs zum Korridor nach Nr. 18 am Ende verlegt worden war. Alle meine Habseligkeiten waren in die neue Zelle geworfen worden. Wie immer wurde dafür keine Erklärung gegeben.
Wir vermuteten, wir bekämen Besuch und ich sei deswegen verlegt worden, weil die Behörden nicht wollten, daß ich als erster unter den Gefangenen mit dem Ankömmling spräche. Wenn jeder Gefangene der Reihe nach seine Beschwerden vortrug, konnten die Aufseher »Die Zeit ist um!« brüllen, bevor ein Besucher Zelle 18 erreichte. Wir beschlossen, im Interesse der Einheit solle jeder einzelne entlang des Zellengangs jeden Besucher darüber informieren, daß zwar jeder eigene Beschwerden vorzubringen habe, daß aber der Gefangene in Zelle 18 für uns alle sprechen solle.
Am nächsten Morgen informierte uns »Suitcase« nach dem Frühstück, wir würden nicht zum Steinbruch gehen. Dann erschien Major Kellerman und erklärte, Mrs. Helen
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