Der lange Weg zur Freiheit
zwischen Stolz auf mich als Xhosa und einem Verwandtschaftsgefühl mit andern Afrikanern. Doch auch als ich gegen Ende jenes Jahres Healdtown verließ, sah ich mich in erster Linie als Xhosa und erst in zweiter als Afrikaner.
Die Universität von Fort Hare, im Bereich der Stadt Alice gelegen, weniger als 30 Kilometer östlich von Healdtown, war bis 1960 die einzige höhere Bildungsanstalt für Schwarze in Südafrika, mehr noch: Sie war so etwas wie ein akademischer Leuchtturm für afrikanische Gelehrte aus dem südlichen Zentral- und Ostafrika. Für junge Südafrikaner war sie wie Oxford und Cambridge, wie Harvard und Yale in einem. Der Regent legte großen Wert darauf, daß ich Fort Hare besuchte, und ich war glücklich, daß man mich dort angenommen hatte. Ehe ich zur Universität ging, kaufte mir der Regent meinen ersten Anzug, einen grauen Zweireiher, in dem ich mir erwachsen und elegant vorkam. Ich war 21 Jahre alt und konnte mir nicht vorstellen, daß irgend jemand in Fort Hare gescheiter wäre als ich.
Ich hatte das Gefühl, jetzt wirklich vorbereitet zu werden auf Erfolge in der Welt. Ich war auch froh, dem Regenten eine Freude bereiten zu können, würde jetzt doch ein Angehöriger seines Clans einen Universitätsgrad haben. Justice war in Healdtown geblieben, um dort seine Reifeprüfung zu machen. Er spielte lieber, als zu studieren, und war ein sorgloser Schüler.
Fort Hare war 1916 von schottischen Missionaren gegründet worden, auf dem Gelände des größten aus dem 19. Jahrhundert stammenden Grenzforts am östlichen Kap. Erbaut auf einer Art Felsplateau, mit dem sich krümmenden Tyume River als Burggraben gleichsam, befand sich Fort Hare in einer perfekten Position, die es den Briten ermöglicht hatte, gegen den tapferen Xhosa-Krieger Sandile zu kämpfen, den letzten hohen Rharhabe-Häuptling, der schließlich 1880 in einer der letzten Grenzschlachten bezwungen wurde.
Fort Hare hatte nur 150 Studenten, und ich kannte bereits rund ein Dutzend von Clarkebury und Healdtown her. Einer von denen, die ich zum erstenmal traf, war K. D. Mantanzima. Obwohl der Stammeshierarchie nach mein Neffe, stand er nach Alter und Rang über mir. K. D. war Student im dritten Jahr und nahm mich unter seine Fittiche. Ich blickte zu ihm auf, wie ich einmal zu Justice aufgeblickt hatte. Er war groß und schlank und äußerst selbstsicher.
Wir waren beide Methodisten, weshalb auch ich im Wesley House, einem hübschen zweistöckigen Gebäude des Campus, untergebracht wurde. Unter seiner Obhut nahm ich an Gottesdiensten teil, begann mit dem Fußballspielen (in dem er glänzte) und hörte allgemein auf seine Ratschläge. Der Regent hielt nichts davon, seinen Kindern, welche die Schule besuchten, Geld zu schicken, und so wäre ich mit leeren Taschen dagestanden, wenn K. D. sein Taschengeld nicht mit mir geteilt hätte. Wie der Regent sah auch er meine zukünftige Rolle als Ratgeber Sabatas, und er spornte mich an, Rechtswissenschaften zu studieren.
Fort Hare war, genau wie Clarkebury und Healdtown, ein Missions-College. Wir wurden angehalten, Gott und den politischen Autoritäten zu gehorchen und dankbar zu sein für die Bildungsmöglichkeiten, welche die Kirche und die Regierung uns boten. Diese Schulen sind oft als kolonialistisch in ihren Einstellungen und Praktiken kritisiert worden. Ich meine allerdings, daß trotz der kolonialistischen Haltungen der Nutzen dieser Missionsschulen ihre Nachteile überwog. Die Missionare bauten und betrieben Schulen, wo die Regierung nicht willig oder nicht fähig war, das zu tun. Die Studienatmosphäre, wenn schon moralisch oft rigide, war weitaus offener als die rassistischen Prinzipien, die Regierungsschulen zugrunde lagen.
Fort Hare war sowohl Heim- als auch eine Art Brutstätte einiger der größten afrikanischen Gelehrten, die der Kontinent je hervorgebracht hat. Professor Z. K. Matthews war geradezu das Modell des afrikanischen Intellektuellen. Als Kind eines Minenarbeiters geboren, war Z. K. durch Booker Washingtons Autobiographie »Up From Slavery«, nach der Erfolg aus harter Arbeit und Mäßigung erwächst, beeinflußt worden. Er lehrte Sozialanthropologie und Recht und sprach sich offen gegen die Sozialpolitik der Regierung aus.
Fort Hare und Professor D. D. T. Jabavu sind praktisch Synonyme. In der Tat war er, als Fort Hare 1916 eröffnet wurde, die erste Lehrkraft. Professor Jabavu hatte ein Bakkalaureat in Englisch an der Universität von London erworben, was
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