Der lange Weg zur Freiheit
eine überaus seltene Leistung zu sein schien. In Fort Hare lehrte Jabavu die Xhosa-Sprache, wie auch Latein, Geschichte und Anthropologie. Wenn es um Xhosa-Genealogie und Xhosa-Stämme ging, glich er einer Enzyklopädie, und er erzählte mir Tatsachen über meinen Vater, von denen ich nichts gewußt hatte. Er war auch ein leidenschaftlicher Befürworter der afrikanischen Rechte und wurde Gründungspräsident der All-African Convention von 1936, die sich der Gesetzgebung des Parlaments zur Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts am Kap widersetzte.
Ich erinnere mich an eine Bahnreise von Fort Hare nach Umtata, bei der ich natürlich im »afrikanischen Abteil« saß. Der zweite Zugschaffner kam, um unsere Fahrkarten zu kontrollieren. Als er sah, daß ich in Alice zugestiegen war, fragte er: »Sind Sie von Jabavus Schule?« Ich nickte, woraufhin der Schaffner vergnügt die Fahrkarte lochte und murmelte, Javabu sei ein feiner Mensch.
In meinem ersten Jahr studierte ich Englisch, Anthropologie, Politik, Native Administration und römisch-holländisches Recht. Native Administration befaßte sich mit den Gesetzen und Verordnungen, die Afrikaner betrafen, und war ein Fach, das zu belegen für jeden ratsam war, der später einmal für die Regierung im Native Affairs Department (Ministerium für Eingeborenen-Angelegenheiten) arbeiten wollte. Obwohl K. D. mir riet, Jura zu studieren, hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, im Native Affairs Department Dolmetscher oder Clerk zu werden. Damals war eine Karriere als Beamter der höchste Preis, den ein Afrikaner gewinnen konnte. In jener Zeit galt, zumal in ländlichen Gebieten, ein Dolmetscher im Büro eines Magistrates als Nummer zwei unmittelbar hinter dem Magistrate selbst. Als in meinem zweiten Studienjahr in Fort Hare ein Dolmetscherkurs eingeführt wurde, den ein hervorragender früherer Gerichtsdolmetscher, Tyamzashe, leitete, war ich einer der ersten Studenten, die sich einschrieben.
Fort Hare konnte ein ziemlich elitärer Ort sein, und auch hier war jenes Schikanieren anzutreffen, wie es in höheren Lehranstalten üblich ist. Als ich das erste Mal den Campus betrat, sah ich auf der anderen Seite des Mittelhofes Gamaliel Vabaza. Ich war mit ihm, dem um mehrere Jahre Älteren, in Clarkebury gewesen und begrüßte ihn herzlich. Doch Vabaza verhielt sich mir gegenüber sehr kühl und überlegen. Er ließ eine geringschätzige Bemerkung darüber fallen, daß ich in der Unterkunft für Neulinge wohnen würde, und teilte mir mit, daß er zum Hauskomitee meines Quartiers gehörte, obwohl er selbst, als älterer Student, nicht mehr dort wohnte. Mir kam das merkwürdig und undemokratisch vor, doch schien es die gängige Praxis zu sein.
Eines Abends, nicht lange nach diesem Vorfall, diskutierte eine Gruppe von uns Neulingen über die Tatsache, daß von den Hausbewohnern oder Neulingen keiner zum Hauskomitee gehörte, daß also kein Neuling dort einen Interessenvertreter hatte. Wir kamen zu der Entscheidung, daß wir entgegen der Tradition ein Hauskomitee wählen wollten, das aus den beiden genannten Gruppen zu bilden wäre. Wir warben für unsere Idee unter allen Hausbewohnern, wählten einige Wochen später unser eigenes Hauskomitee und booteten das der älteren Studenten aus. Ich selbst war einer der Organisatoren und wurde in das neugebildete Komitee gewählt.
Aber gar so leicht waren die älteren Studenten nicht unterzukriegen. Sie hielten ein Treffen ab, bei dem einer von ihnen, Rex Tatane, der eloquent englisch sprach, erklärte: »Dieses Verhalten der Neulinge ist unakzeptabel. Wie können wir Ältere uns besiegen lassen von einem rückständigen Provinzler wie Mandela, der nicht einmal richtig englisch sprechen kann!« Dann parodierte er meine Art, englisch zu sprechen, wobei er mir einen, wie er glaubte, Gcaleka-Akzent gab, und seine Claque schüttete sich darüber vor Lachen aus. Tatanes Worte machten uns nur um so entschlossener. Statt zurückzuweichen, konstituierten wir Neulinge jetzt das offizielle Hauskomitee und teilten den älteren Studenten die unangenehmsten Arbeiten zu, was für sie überaus demütigend war.
Der College-Direktor, ein Reverend A. J. Cook, erfuhr von dem Streit und rief uns alle in sein Büro. Wir hatten das Gefühl, das Recht auf unserer Seite zu haben, und dachten nicht daran nachzugeben. Tatane bat den Direktor, uns zu überstimmen, brach jedoch mitten in seiner Rede zusammen und weinte. Der Direktor forderte uns auf, unseren
Weitere Kostenlose Bücher