Der lange Weg zur Freiheit
Anspruch nehmen, aber wir waren zuversichtlich, daß sie das Manuskript dort nicht finden würden, denn sie würden das Rohr nicht verlegen, um eine Mauer zu bauen.
Wir versteckten das Manuskript unter unseren Hemden und begaben uns wieder in die Zellen. Eddie ging an diesem Tag nicht mit zum Steinbruch; wir gaben ihm die Behälter und wiesen ihn an, sie so schnell wie möglich zu vernichten. Eddie nahm das große persönliche Risiko auf sich und sagte zu. Nachdem ich wußte, daß wir die beiden Behälter gerettet hatten, atmete ich freier, und während der Arbeit an diesem Tag versuchte ich, nicht über den verbliebenen Teil des Manuskripts nachzudenken.
Als wir am Nachmittag vom Steinbruch zurückkamen, ging ich nicht wie gewöhnlich zum Waschen, sondern ich schlenderte hinüber zum anderen Ende des Gefängnishofes. Dabei versuchte ich, so ungezwungen wie möglich auszusehen, aber was ich sah, bestürzte mich. Die Häftlinge hatten parallel zur Wand des Isolierabschnitts einen Graben gezogen und dabei das Rohr völlig entfernt. Dabei mußten sie auf das Manuskript gestoßen sein.
Ich muß wohl zusammengezuckt sein oder auf eine andere auffällige Art reagiert haben. Ohne es zu wissen, wurde ich von mehreren Aufsehern beobachtet; später sagten sie mir, meine Reaktion habe bestätigt, daß ich über das dort vergrabene Manuskript Bescheid wußte. Ich kehrte zum Waschen in den Korridor zurück und erklärte Walter, nach meiner Vermutung sei das Manuskript entdeckt worden. Die beiden anderen Teile hatte Eddie mittlerweile erfolgreich beseitigt.
Am nächsten Morgen wurde ich sehr früh in das Büro des Kommandanten bestellt. Neben ihm stand ein hoher Beamter der Gefängnisverwaltung, der gerade aus Pretoria eingetroffen war. Ohne irgendeine Begrüßung verkündete der Kommandant: »Mandela, wir haben Ihr Manuskript gefunden.«
Ich antwortete nicht. Der Kommandant griff in seinen Schreibtisch und brachte einen Papierstapel zum Vorschein.
»Das ist Ihre Handschrift, stimmt’s?« fragte er. Wieder schwieg ich.
»Mandela«, sagte der Kommandant mit einer gewissen Gereiztheit, »wir wissen, daß das Ihre Arbeit ist.«
»Nun ja«, erwiderte ich, »dafür müssen Sie Beweise vorlegen.« Darüber spotteten sie, und dann erklärten sie, sie wüßten auch, daß die Randbemerkungen von Walter Sisulu und Ahmed Kathrada seien. Wieder sagte ich, sie müßten Beweise haben, wenn sie Strafen verhängen wollten.
»Wir brauchen keine Beweise«, sagte der Kommandant. »Den Beweis haben wir schon.«
An diesem Tag wurde zwar keine Bestrafung ausgesprochen, aber kurze Zeit später wurden Walter, Kathy und ich zu General Rue bestellt, dem stellvertretenden Leiter der Gefängnisverwaltung. Er erklärte, wir hätten die Vergünstigung des Studierens mißbraucht, um ein illegales Manuskript zu verfassen. Wegen dieses Vergehens sei die Genehmigung zum Studieren auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Wie sich herausstellte, verloren wir diese Vergünstigung vier Jahre lang.
Nachdem Mac im Dezember freigelassen worden war, schickte er die Notizbücher nach England. Die nächsten sechs Monate verbrachte er unter Hausarrest in Südafrika; dann entwischte er außer Landes und ging zuerst zu Oliver nach Lusaka und dann nach London, wo er ein weiteres halbes Jahr blieb. Mit einer Stenotypistin rekonstruierte er das Manuskript, und ein maschinegeschriebenes Exemplar entstand. Anschließend kehrte er nach Lusaka zurück und brachte Oliver eine Kopie.
Von da an verläuft sich die Spur im Sande. Aus Lusaka hörte ich nichts von dem Manuskript, und ich weiß bis heute nicht genau, was Oliver damit anfing. Solange ich im Gefängnis saß, wurde es nicht veröffentlicht, aber es bildet das Grundgerüst dieser Erinnerungen.
Im Jahr 1976 bekam ich außergewöhnlichen Besuch: Jimmy Kruger, der für die Gefängnisse zuständige Minister und ein bekanntes Mitglied im Kabinett des Premierministers, wollte mich kennenlernen. Kruger hatte nicht nur großen Einfluß, was die Gefängnisse anging, sondern stand auch der Art, wie die Regierung mit dem Befreiungskampf umging, insgesamt kritisch gegenüber.
Ich ahnte, warum er gekommen war. Die Regierung gab sich damals große Mühe, ihre Politik der getrennten Entwicklung und die »quasi-unabhängigen« Homelands zu einem Erfolg zu machen. Das Vorzeigeobjekt der getrennten Entwicklung war die Transkei, die von meinem Neffen und früheren Wohltäter K. D. Matanzima regiert wurde; er hatte fast die
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