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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Eddie mir unterbreitete, sollte die Organisation einen Hubschrauber in den südafrikanischen Armeefarben beschaffen, der mich auf der Insel abholte und in Kapstadt auf dem Dach der Botschaft eines befreundeten Landes absetzte; dort sollte ich dann Asyl beantragen. Der Plan war nicht schlecht ausgedacht, und ich sagte Eddie, er solle den Vorschlag zu Oliver nach Lusaka schmuggeln. Es gelang Eddie auch, die Idee bis nach Lusaka zu vermitteln, aber eine Antwort erhielten wir nie.
     
     
    Geburtstagsfeiern waren auf Robben Island eine knochentrockene Angelegenheit. In Ermangelung von Kuchen oder Geschenken legten wir unser Essen zusammen und schenkten dem Geburtstagskind eine zusätzliche Scheibe Brot oder eine Tasse Kaffee. Fikile Bam und ich waren am gleichen Tag geboren, nämlich am 18. Juli; ich hob ein paar Süßigkeiten auf, die ich zu Weihnachten gekauft hatte, damit wir sie uns an unserem gemeinsamen Geburtstag teilen konnten. Mein fünfzigster Geburtstag war 1968 ohne großes Aufsehen vorübergegangen, aber 1975, als ich 57 wurde, kamen Walter und Kathy mit einem langfristig angelegten Plan zu mir, wonach mein sechzigster Geburtstag ein denkwürdigeres Ereignis werden sollte.
    Unter anderem beschäftigte uns immer die Frage, wie wir die Idee vom Kampf beim Volk lebendig halten konnten. In den vorangegangenen zehn Jahren hatte die Regierung den größten Teil der radikalen Presse zum Schweigen gebracht, und nach wie vor war es verboten, Worte oder Abbildungen der Verbannten und Inhaftierten zu veröffentlichen. Ein Redakteur, der einen Schnappschuß von mir oder meinen Kollegen druckte, riskierte, daß man ihn ins Gefängnis steckte und seine Zeitung dichtmachte.
    Eines Tages schlugen Kathy und Walter mir in einem Gespräch auf dem Gefängnishof vor, ich solle meine Memoiren schreiben.
    Kathy war der Ansicht, der ideale Erscheinungstermin für ein solches Buch sei mein sechzigster Geburtstag. Walter sagte, eine solche Geschichte, wahrheitsgetreu und fair erzählt, werde die Leute daran erinnern, wofür wir gekämpft hatten und immer noch kämpften. Und er fügte hinzu, es könne für junge Freiheitskämpfer zu einer Quelle der Begeisterung werden. Ich fand die Idee reizvoll, und in einem der nächsten Gespräche sagte ich zu, mich an die Arbeit zu machen.
    Wenn ich mich zu etwas entschlossen habe, fange ich am liebsten sofort an, und deshalb stürzte ich mich in das neue Vorhaben. Meine Arbeitszeiten waren ungewöhnlich: Ich schrieb den größten Teil der Nacht und schlief tagsüber. In den ersten ein oder zwei Wochen hielt ich nach dem Abendessen ein Nickerchen, und um zehn Uhr stand ich auf, um bis zum Frühstück zu schreiben. Nach der Arbeit im Steinbruch schlief ich bis zum Abendessen, und dann fing das Ganze wieder von vorn an. Nach ein paar solcher Wochen teilte ich den Behörden mit, ich fühle mich nicht wohl und werde nicht in den Steinbruch gehen. Das schien sie nicht weiter zu kümmern, und von nun an konnte ich fast den ganzen Tag über schlafen.
    Für die weitere Manuskriptbearbeitung richteten wir eine Art Fließband ein. Jeden Tag gab ich das, was ich geschrieben hatte, an Kathy weiter. Er sah das Manuskript durch, las es dann Walter vor und schrieb ihre Bemerkungen auf den Rand. Walter und Kathy zögerten nie, mich zu kritisieren, und ich nahm mir ihre Vorschläge zu Herzen; oft übernahm ich ihre Änderungen. Dieses mit Anmerkungen versehene Manuskript ging an Laloo Chiba, und er brachte die folgende Nacht damit zu, meinen Text in seine fast mikroskopisch kleine Kurzschrift zu übertragen, so daß zehn große Bögen auf ein einziges kleines Papierstück schrumpften. Die Aufgabe, das Manuskript in die Außenwelt zu schmuggeln, würde Mac übernehmen.
    Die Aufseher schöpften Verdacht. Sie gingen zu Mac und fragten: »Was hat der Mandela vor? Warum ist er so spät nachts noch wach?« Aber Mac zuckte nur mit den Schultern und sagte, er habe keine Ahnung. Ich schrieb schnell, und nach vier Monaten war ein Entwurf fertig. Dabei hielt ich mich nicht damit auf, nach einzelnen Worten oder Sätzen zu suchen. Ich beschrieb den Zeitraum von meiner Geburt bis zum Rivonia-Prozeß, und am Ende standen ein paar Bemerkungen über Robben Island.
    Meine Erfahrungen lebten wieder auf, als ich sie zu Papier brachte. In diesen Nächten, als ich in der Stille saß und schrieb, erlebte ich noch einmal die Anblicke und Geräusche meiner Jugend in Qunu und Mqhekezweni; die Erregung und die Angst, als ich nach

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