Der lange Weg zur Freiheit
gesamte legale Opposition seinem Regiment untergeordnet. Mir fiel ein, wie der Kommandant kurz zuvor im Scherz zu mir gesagt hatte: »Mandela, Sie sollten sich in die Transkei zurückziehen und sich lange ausruhen.«
Wie sich herausstellte, schlug Jimmy Kruger genau das gleiche vor. Er war ein stämmiger, vierschrötiger Mann, nicht annähernd so elegant, wie ich es von einem Minister erwartet hätte. Ich betrachtete das Gespräch als eine weitere Gelegenheit, unsere Beschwerden vorzubringen, und zu Beginn schien er auch willens, mir zuzuhören. Als erstes erinnerte ich ihn an den Brief, den wir ihm 1969 geschickt hatten und der ohne Antwort geblieben war. Er zuckte nur mit den Achseln. Dann beschrieb ich detailliert die schlechten Bedingungen auf der Insel, und wieder einmal betonte ich, daß wir keine Kriminellen waren, sondern politische Gefangene, und daß wir erwarteten, als solche behandelt zu werden. Aber darüber lachte Kruger nur, und er sagte: »Nee, ihr seid alles gewalttätige Kommunisten.«
Daraufhin erzählte ich ein wenig über die Geschichte unserer Organisation und über die Gründe, warum wir zu Gewalt gegriffen hatten. Offensichtlich wußte er über den ANC so gut wie nichts, und was er darüber gehört hatte, stammte aus der Propaganda der rechten Presse. Als ich ihm erklärte, die Organisation sei viel älter als die National Party, war er sprachlos. Ich sagte, wenn er uns für Kommunisten hielte, solle er noch einmal die Freiheits-Charta lesen. Verlegen sah er mich an. Er hatte noch nie etwas von der Freiheits-Charta gehört. Ich fand es bemerkenswert, daß ein Kabinettsmitglied so schlecht informiert sein sollte. Aber eigentlich hätte es mich nicht überraschen dürfen; nationalistische Politiker verurteilen grundsätzlich alles, was sie nicht verstehen.
Ich warf die Frage unserer Freilassung auf und erinnerte ihn an den Fall der Afrikander-Rebellen von 1914, die zu Gewalt gegriffen hatten, obwohl sie im Parlament vertreten waren, Konferenzen abhalten konnten und sogar wählen durften. Obwohl General de Wet und Major Kemp eine Streitmacht von 12000 Mann befehligten, Städte eroberten und für viele Todesopfer verantwortlich waren, wurden beide freigelassen, kurz nachdem man sie des Hochverrats überführt hatte. Ich erwähnte Robey Leibbrandt, der im Zweiten Weltkrieg eine Untergrundorganisation aufgebaut hatte, um sich der Unterstützung Südafrikas für die Alliierten zu widersetzen; er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, aber schon bald darauf begnadigt. Kruger schien von diesen Episoden aus der Geschichte seines eigenen Volkes ebenso wenig zu wissen wie von der Freiheits-Charta. Es ist schwer, mit jemandem zu verhandeln, der nicht den gleichen Bezugsrahmen hat.
Kruger wischte meine Ausführungen beiseite. »Das sind alte Geschichten«, sagte er. Er hatte ein gezieltes Angebot mitgebracht, und obwohl er in dem Ruf stand, eine schroffe Art zu haben, unterbreitete er es sehr zurückhaltend. Er formulierte es so: Wenn ich die Regierung der Transkei als legitim anerkennen und dorthin ziehen würde, wolle man meine Haft erheblich verkürzen.
Voller Respekt hörte ich zu, bis er geendet hatte. Erstens, so sagte ich dann, lehnte ich die Politik der Bantustans völlig ab und ich würde nichts tun, um sie zu unterstützen. Und zweitens stammte ich aus Johannesburg und dorthin wollte ich zurückkehren. Kruger machte mir Vorhaltungen, aber ohne Erfolg. Einen Monat später kam er noch einmal mit dem gleichen Vorschlag, und wieder lehnte ich ab. Ein solches Angebot hätte nur ein Wendehals annehmen können.
Obwohl wir uns eifrig darum bemühten, Nachrichten und Informationen zu beschaffen, blieb unsere Kenntnis der neuesten Ereignisse immer skizzenhaft. Was in der Außenwelt geschah, wurde dadurch abgeschwächt, daß wir es zuerst gerüchteweise erfuhren; erst später wurde es manchmal durch einen Zeitungsbericht oder einen Besucher bestätigt.
Im Juni 1976 hörten wir erste ungenaue Berichte über einen großen Aufruhr im Land. Das Geflüster war phantastisch und unglaubwürdig: Angeblich hatte die Jugend von Soweto das Militär überwältigt, und die Soldaten hatten die Gewehre weggeworfen und waren geflohen. Erst im August kamen die ersten jungen Gefangenen, die an den Unruhen vom 16. Juni beteiligt gewesen waren, nach Robben Island; durch sie erfuhren wir, was wirklich geschehen war.
Am 16. Juni 1976 versammelten sich 15000 Schulkinder in Soweto, um gegen eine Vorschrift der
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