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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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und daß er mein Bett benutzte, muß das Sehnsuchtsgefühl ein wenig gemildert haben.«
     
     
    Die Erinnerung an glückliche Augenblicke machte mir Freude, aber ich litt auch unter den Schmerzen, die ich meiner Familie so oft durch meine Abwesenheit bereitet hatte. In einem weiteren Brief schrieb ich 1976:
     
    »Als ich am 25. Februar morgens aufwachte, vermißte ich Dich und die Kinder genausosehr wie immer. Ich denke dieser Tage viel an Euch beide als Dadewethu (Schwester), Mutter, Freundin und Ratgeber. Du weißt vielleicht nicht, wie oft ich mir im Geist alles vorstelle und genau ausmale, was Dich körperlich und seelisch ausmacht – die liebevollen Bemerkungen, die jeden Tag von Dir kamen, und das Auge, das Du immer zugedrückt hast, auch bei den vielen Verwirrungen, die eine andere Frau frustriert hätten… Ich erinnere mich sogar an einen Tag, als Du mit Zindzi hochschwanger warst und Dir nur mit Mühe die Fußnägel schneiden konntest. Heute denke ich an solche Vorfälle mit einem Gefühl der Beschämung. Ich hätte es für Dich tun können. Bewußt oder unbewußt lautete meine Einstellung: Ich habe meine Pflicht getan, das zweite Gör ist unterwegs, und die Schwierigkeiten, die Du durch Deinen körperlichen Zustand hast, sind Deine Sache. Mein einziger Trost ist das Wissen, daß ich bei dem Leben, das ich dann geführt habe, kaum zum Nachdenken kam. Ich frage mich nur, wie es wird, wenn ich zurückkomme…
    Während ich diese Zeilen schreibe, steht Dein wunderschönes Foto immer noch einen halben Meter über meiner linken Schulter. Ich staube es jeden Morgen sorgfältig ab, denn dabei habe ich das angenehme Gefühl, daß ich mich um Dich kümmere wie in alten Zeiten. Ich berühre sogar Deine Nase mit meiner, um den elektrischen Strom wieder einzufangen, der früher dabei immer durch mein Blut strömte. Nolitha steht direkt gegenüber auf dem Tisch. Wie kann meine Seele niedergeschlagen sein, wenn ich mich der Aufmerksamkeit so wunderbarer Damen erfreue?«
     
    Nolitha war die einzige Person, die nicht zur Familie gehörte und deren Foto ich dennoch aufbewahrte. Das Geheimnis, wer sie war, lüftete ich 1976 in einem anderen Brief an meine Tochter Zindzi:
     
    »Übrigens, hat Mama Dir von Nolitha erzählt, der anderen Dame in meiner Zelle? Sie stammt von den Andamanen und leistet Dir, Zeni, Ndindi und Nandi, Mandla (die drei letzten sind meine Enkelkinder), Maki und Mama Gesellschaft. Mama ist mit Kommentaren zu diesem Thema überraschend sparsam. Sie betrachtet die schöne Pygmäenfrau als eine Art Rivalin, und sie wird kaum auf die Idee kommen, daß ich das Bild aus dem National Geographic habe.«
     
    Ständig dachte ich an den Tag, an dem ich ein freier Mann sein würde. Immer wieder malte ich mir aus, was ich dann tun würde. Es war eine der angenehmsten Arten, sich die Zeit zu vertreiben. Ebenfalls 1976 brachte ich meine Tagträume zu Papier.
    »Wie gerne würde ich mit Dir eine lange, lange Reise machen, wie am 12. 6. 58, nur mit dem Unterschied, daß ich diesmal lieber mit Dir allein wäre. Ich bin schon so lange von Dir weg, und deshalb wäre das erste, was ich nach meiner Rückkehr gern tun würde, daß ich Dich aus dieser erstickenden Atmosphäre heraushole und vorsichtig mit Dir wegfahre, so daß Du frische, saubere Luft atmen könntest und die schönsten Stellen von Südafrika siehst, sein Gras und seine Bäume, die bunten Wildblumen, die schäumenden Wasserläufe, Tiere, die in der Steppe weiden, und wir würden mit den einfachen Menschen sprechen, die uns auf dem Weg begegnen. Unsere erste Station wäre der Ort, wo Ma Radebe und CK (Winnies Mutter und Vater) schlafen. Ich hoffe, sie liegen nebeneinander. Dann könnte ich denen meinen Respekt erweisen, die es mir ermöglicht haben, so glücklich und frei zu sein. Vielleicht würden dort die Geschichten anfangen, die ich Dir in allen diesen Jahren erzählen wollte. Die Atmosphäre würde wahrscheinlich Dein Gehör schärfen und mich veranlassen, mich auf die geschmackvollen, erbaulichen und konstruktiven Gesichtspunkte zu konzentrieren. Anschließend wechselt der Schauplatz; es geht bei Mphakanyiswa und Nosekeni (meinen Eltern) weiter, und dort ist die Umgebung ähnlich. Ich glaube, wenn wir danach zurück zu Nummer 8115 führen, wären wir frisch und stark.«
     
     
    Als die Behörden uns Anfang der siebziger Jahre gestatteten, Fotos der nächsten Angehörigen zu erhalten, schickte Winnie mir ein Album. Jedesmal, wenn ich eine Aufnahme von

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