Der lange Weg zur Freiheit
sagte George, er solle dem jungen Mann mitteilen, daß er eine Thembu-Prinzessin bekam.
Daß Zeni jetzt zur königlichen Familie von Swasiland gehörte, hatte einen gewaltigen Vorteil: Sie genoß sofort sämtliche diplomatischen Privilegien und konnte mich praktisch nach Belieben besuchen. Noch im gleichen Winter, nachdem sie Thumbumuzi geheiratet hatte, kamen die beiden mit ihrer neugeborenen Tochter zu mir. Wegen der Stellung des Prinzen durften wir uns im Beratungsraum treffen und nicht in dem normalen Besucherbereich, wo man durch dicke Mauern und Glasscheiben von den Angehörigen getrennt ist. Ich erwartete sie mit einer gewissen Nervosität.
Es war wirklich ein außergewöhnlicher Augenblick, als sie in den Raum kamen. Ich stand auf, und als Zeni mich sah, warf sie fast ihre winzige Tochter ihrem Mann zu, rannte durch den Raum und umarmte mich. Ich hatte mein jetzt erwachsenes Kind nicht mehr in den Armen gehabt, seit sie so alt war wie jetzt ihre Tochter. Es war ein schwindelerregendes Erlebnis, als ob die Zeit in einem Sciencefiction-Roman vorwärtsgerast wäre, so daß man plötzlich das herangewachsene Kind an sich drückt. Anschließend umarmte ich meinen neuen Sohn, und er gab mir meine kleine Enkeltochter in den Arm, die ich während des ganzen Besuchs nicht mehr losließ. Ein neugeborenes Baby, das so verletzlich war, in meinen rauhen Händen zu halten, in Händen, die allzu lange nur mit Spitzhacken und Schaufeln in Berührung gekommen waren, bedeutete eine tiefe Freude. Ich glaube, noch nie war ein Mann so glücklich darüber, ein Baby im Arm zu haben, wie ich an jenem Tag.
Der Besuch hatte einen eher offiziellen Zweck: Ich sollte einen Namen für das Kind aussuchen. Es ist Sitte, daß der Großvater den Namen bestimmt, und ich hatte mich für Zaziwe entschieden – das bedeutet »Hoffnung«. Für mich hatte dieser Name eine besondere Bedeutung, denn in all den Jahren im Gefängnis hatte mich die Hoffnung nie verlassen – und so würde es von nun an auch bleiben. Dieses Kind, davon war ich überzeugt, würde zu einer neuen Generation von Südafrikanern gehören, für die Apartheid nur noch eine entfernte Erinnerung bedeutete – das war mein Traum.
Ich weiß nicht, ob es der Aufruhr im Gefängnis nach den Unruhen von Soweto war oder der Aufruhr im Leben meiner Familie außerhalb des Gefängnisses, aber in den ein oder zwei Jahren nach 1976 befand ich mich in einem träumerischen, nostalgischen Geisteszustand. Im Gefängnis hat man Zeit, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen, und die Erinnerung wird gleichermaßen zum Freund und zum Feind. Mein Gedächtnis transportierte mich in Augenblicke großer Freude und auch großer Trauer. Mein Traumleben wurde sehr reichhaltig, und es schien mir, als würde ich ganze Nächte lang noch einmal die Höhen und Tiefer früherer Zeiten durchleben.
Ein Alptraum kehrte immer wieder. Darin war ich gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, aber es war nicht Robben Island, sondern eine Haftanstalt in Johannesburg. Ich ging durch das Tor nach draußen in die Stadt, aber dort traf ich niemanden. Es gab dort überhaupt nichts, keine Menschen, keine Autos, keine Taxis. Dann machte ich mich zu Fuß nach Soweto auf. Nach einem Marsch von vielen Stunden kam ich schließlich in West-Orlando an und ging um eine Ecke zum Haus 8115. Schließlich sah ich mein Zuhause, aber es war leer, ein Geisterhaus; alle Türen und Fenster standen offen, aber es war niemand darin.
Nicht alle meine Träume von der Freilassung waren so düster. Im Jahr 1976 berichtete ich Winnie in einem Brief von einer glücklicheren Vision.
»In der Nacht des 24. Februar kam ich im Traum bei Nummer 8115 an und fand ein Haus voller junger Leute, die eine Mischung aus Jive und Infiba tanzten. Als ich unerwartet eintrat, blieben sie überrascht stehen. Einige von ihnen begrüßten mich herzlich, andere machten sich schüchtern aus dem Staub. Das Schlafzimmer war ebenfalls angefüllt mit Angehörigen und engen Freunden. Du lagst im Bett und ruhtest Dich aus, und Kgatho (mein Sohn Makgatho), der sehr jung aussah, schlief an der gegenüberliegenden Wand.
Vielleicht habe ich mich in diesem Traum an die beiden Wochen im Dezember 1956 erinnert; er war damals sechs, und ich ließ Makhulu (Evelyns Mutter) allein zu Haus. Er wohnte in dieser Zeit bei seiner Mutter in O. E. (Ost-Orlando), aber ein paar Tage bevor ich zurückkam, ging er zu Makhulu und schlief in meinem Bett. Er vermißte mich sehr,
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