Der lange Weg zur Freiheit
ihre Habseligkeiten in der öden Afrikaner-Township von Brandfort vor einer Drei-Zimmer-Hütte mit Wellblechdach abgeladen, an einem entsetzlich armen und abgelegenen Ort, wo die Leute unter der Knute der örtlichen weißen Grundbesitzer standen. Hier wurde Winnie mit Argwohn und Angst betrachtet. Die Einheimischen sprachen Sesotho, eine Sprache, die Winnie nicht verstand.
Ich war über ihre neuen Lebensbedingungen traurig und verärgert. Zumindest wenn sie zu Hause in Soweto war, konnte ich mir vorstellen, wie sie in der Küche stand und kochte oder lesend im Wohnzimmer saß, und ich konnte mir ausmalen, wie sie in dem Haus aufwachte, das ich so gut kannte. Solche Vorstellungen gaben mir Trost. Trotz ihrer Verbannung waren in Soweto Freunde und Angehörige in der Nähe. In Brandfort war sie mit Zindzi allein.
Ich war auf dem Weg nach Bloemfontein früher einmal durch diese Township gekommen, ohne daß sie mir aufgefallen wäre.
Es gab dort bei der typischen Armut und dem Zerfall nichts Erinnernswertes. Damals wußte ich noch nicht, wie vertraut mir die Adresse »Haus Nummer 802, Brandfort« einmal werden sollte. Wieder einmal hatte ich das Gefühl, als wären Winnie und ich gleichzeitig im Gefängnis.
Wie ich aus Winnies Briefen erfuhr, war das Leben in Brandfort hart. Sie hatten keine Heizung, keine Toilette, kein fließendes Wasser. In der Siedlung gab es keine Läden, und die Geschäftsleute in der Stadt waren unfreundlich zu afrikanischen Kunden. Die Weißen sprachen meist Afrikaans und waren zutiefst konservativ.
Winnie und Zindzi wurden ständig von der Polizei überwacht und immer wieder belästigt. Schon nach wenigen Monaten ärgerte sich Zindzi, die nicht verbannt war, über die Einschüchterungsversuche der Sicherheitskräfte. Im September reichte ich mit Hilfe von Winnies Anwälten einen Dringlichkeitsantrag ein, damit es der lokalen Polizeibehörde von Brandfort verboten wurde, meine Tochter weiterhin zu belästigen. Vor Gericht wurde unter Eid ausgesagt, daß Polizisten in das Haus eingebrochen waren und Zindzi bedroht hatten. Der Richter verfügte, daß Zindzi ungestört Besucher empfangen durfte.
Winnie ist hartnäckig, und schon nach recht kurzer Zeit hatte sie die Leute in der Siedlung für sich gewonnen, darunter auch freundlich gesonnene Weiße aus der Nachbarschaft. Mit Hilfe der Operation Hunger versorgte sie die Bewohner der Township mit Lebensmitteln, für die Kinder richtete sie einen Hort ein, und außerdem sammelte sie Spenden für ein Krankenhaus in einer Gegend, wo die meisten Menschen noch nie einen Arzt gesehen hatten.
Im Jahr 1978 heiratete meine zweitjüngste Tochter Zeni, mein ältestes Kind mit Winnie, den Prinzen Thumbumuzi, einen Sohn des Königs Sobhuza von Swasiland. Sie hatten sich kennengelernt, als Zeni dort zur Schule ging. Da ich im Gefängnis saß, konnte ich die traditionellen Aufgaben des Vaters nicht erfüllen. In unserem Kulturkreis muß der Vater der Braut den zukünftigen Bräutigam befragen und seine Zukunftsaussichten einschätzen. Außerdem muß er »Lobola« festsetzen, den Brautpreis, den der Bräutigam an die Familie der Braut zahlt. Am Hochzeitstag gibt der Vater seine Tochter hin. Ich hatte zwar keine Zweifel, was den jungen Mann betraf, aber ich beauftragte dennoch George Bizos, meinen Freund und Rechtsberater, für mich einzuspringen. Ich teilte George mit, welche Fragen er dem Prinzen darüber stellen sollte, wie dieser sich um meine Tochter zu kümmern gedachte.
George traf sich in seinem Büro mit dem Prinzen und verabredete dann mit mir einen Beratungstermin auf Robben Island. Da Zeni noch nicht einundzwanzig war, mußte ich meine juristische Zustimmung zu der Eheschließung geben. Ich traf mit George im Beratungszimmer zusammen, wo zu seiner Überraschung auch ein Aufseher anwesend war. Ich erklärte ihm, dies stehe im Einklang mit den Vorschriften, weil man seinen Besuch als Familienangelegenheit und nicht als Anwaltsbesprechung betrachtete. Scherzhaft beruhigte ich George mit der Bemerkung, ich hätte vor meinen Wärtern keine Geheimnisse.
George schilderte mir, wie sehr die beiden sich liebten und daß mein zukünftiger Schwiegersohn glänzende Aussichten hätte. Sein Vater, König Sobhuza, war ein aufgeklärt-traditionelles Staatsoberhaupt und Mitglied des ANC. Als George mir einige Forderungen übermittelte, die die Familie des jungen Mannes gestellt hatte, wies er ausdrücklich darauf hin, daß der Junge ein Swasi-Prinz war. Ich
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