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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Behördenspitzel sei. Doch bald erkannten wir, daß das nicht der Fall war. Patrick war ein aufgeweckter, umgänglicher, unverzagter Bursche, mit dem wir sehr gut auskamen. Für ihn kann es nicht leicht gewesen sein, mit einer eingefleischten Gruppe alter Männer zurechtzukommen, die schon seit zwei Jahrzehnten zusammenlebten.
    Wir waren nun von einer Welt aus Beton umgeben, und ich vermißte die natürliche Pracht von Robben Island. In mancher Hinsicht jedoch war unser neues Zuhause tröstlich. So war das Essen in Pollsmoor viel besser; nachdem wir viele Jahre lang dreimal täglich Brei bekommen hatten, nahmen sich die Mahlzeiten in Pollsmoor, die aus richtigem Fleisch und Gemüse bestanden, wie Festmähler aus. Wir durften eine ziemlich vielfältige Auswahl von Zeitungen und Zeitschriften lesen und konnten uns zuvor verbotene Publikationen wie Time und The Guardian aus London kommen lassen. Das öffnete uns ein Fenster auf den Rest der Welt. Wir hatten auch ein Radio, doch damit empfingen wir nur lokale Sender und nicht das, was wir uns wirklich wünschten: den BBC World Service. Den ganzen Tag durften wir draußen auf unserer Terrasse zubringen, nur nicht die Stunden zwischen zwölf und zwei Uhr, in denen die Wärter ihren Lunch einnahmen. Man tat nicht einmal so, als müßten wir arbeiten. Ich hatte neben unserer großen eine kleine Zelle, die mit Stuhl, Schreibtisch und Bücherregalen als Arbeitszimmer diente, wo ich während des Tages lesen und schreiben konnte.
    Auf Robben Island pflegte ich meine sportlichen Übungen in meiner eigenen, engen Zelle zu absolvieren, doch nun hatte ich Platz, mich auszustrecken. In Pollsmoor wachte ich gewöhnlich um fünf Uhr auf und trainierte eineinhalb Stunden in unserer Gemeinschaftszelle. Ich vollzog mein übliches Programm aus Laufen auf der Stelle, Seilspringen, Aufsetzen aus der Rückenlage und Liegestütze. Meine Kameraden waren keine Frühaufsteher, und mein Programm machte mich in unserer Zelle bald recht unbeliebt.
    Kurz nach der Ankunft in Pollsmoor bekam ich Besuch von Winnie und stellte erfreut fest, daß der Besuchsraum viel besser und moderner war als der auf Robben Island. Durch eine große Trennwand aus Glas konnte man den Besucher von der Taille an aufwärts sehen, und die Mikrofone waren wesentlich besser, so daß man sich nicht anstrengen mußte, um sich zu verständigen. Das Fenster vermittelte zumindest die Illusion größerer Intimität, und im Gefängnis können Illusionen tröstlich sein.
    Für meine Frau und meine Familie war es wesentlich einfacher, nach Pollsmoor als nach Robben Island zu kommen, und das machte ungeheuer viel aus. Auch die Aufsicht bei den Besuchen gestaltete sich humaner. Oft wurden Winnies Besuche von Warrant Officer James Gregory überwacht, der auf Robben Island Zensor gewesen war. Ich kannte ihn nicht besonders gut, aber er kannte uns, da er für die Durchsicht unserer eingehenden und auslaufenden Post verantwortlich gewesen war.
    In Pollsmoor lernte ich Gregory näher kennen und stellte fest, daß er erfreulicherweise anders war als der typische Gefängnisaufseher. Er hatte gute Manieren, sprach leise und behandelte Winnie höflich und respektvoll. Statt »Zeit abgelaufen!« zu bellen, pflegte er zu sagen: »Mrs. Mandela, Sie haben noch fünf Minuten.«
    In der Bibel steht, die Gärten seien früher dagewesen als die Gärtner, aber das war in Pollsmoor nicht der Fall; ich legte dort einen Garten an, der eine meiner schönsten Zerstreuungen wurde. Das war meine Art, aus der monolithischen Betonwelt zu fliehen, die uns umgab. Nachdem ich mir ein paar Wochen lang angesehen hatte, wieviel freier Raum uns auf dem Dach des Gebäudes zur Verfügung stand, der zudem den ganzen Tag Sonne hatte, beschloß ich, einen Garten anzulegen, und erhielt vom kommandierenden Offizier die Erlaubnis dazu. Ich bat, die Gefängnisverwaltung möge mir sechzehn 44-Gallonen-Ölfässer beschaffen und diese halbieren. Dann füllte die Behörde sie alle mit reicher, feuchter Erde, und so entstanden tatsächlich 32 riesige Pflanzkübel.
    Ich zog Zwiebeln, Auberginen, Kohl, Blumenkohl, Bohnen, Spinat, Karotten, Gurken, Brokkoli, rote Bete, Kopfsalat, Tomaten, Paprika, Erdbeeren und vieles andere. Schließlich verfügte ich über eine kleine Farm mit fast 900 Pflanzen, einen viel größeren Garten als den, den ich auf Robben Island gehabt hatte.
    Einige der Samen kaufte ich, andere, beispielsweise Brokkoli und Karotten, bekam ich vom kommandierenden Offizier,

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