Der lange Weg zur Freiheit
Aber ich hätte mir gewünscht, daß die Regierung Gespräche mit uns initiierte und nicht wir Gespräche mit ihnen.«
Ich antwortete, wenn er im Prinzip nicht gegen Verhandlungen sei, spiele es ja wohl keine Rolle, wer sie begonnen habe. Was zählte, war, was mit ihnen erreicht wurde, und nicht, wie sie begonnen hatten. Ich sagte Walter, ich glaubte, wir sollten mit Verhandlungen weiterkommen und uns keine Sorgen darüber machen, wer zuerst an die Tür geklopft hatte. Walter sah meine Entschlossenheit, und er sagte, er werde mich nicht aufhalten, hoffe aber, ich wisse, was ich da tue.
Der nächste war Raymond Mhlaba. Ich erklärte ihm die ganze Situation, wie ich sie Walter erklärt hatte. Ray war immer ein Mann von wenig Worten, und ein paar Augenblicke lang verdaute er das, was ich gesagt hatte. Dann sah er mich an und sagte: »Madiba, worauf wartest du noch? Wir hätten vor Jahren damit anfangen sollen.« Andrew Mlagenis Reaktion war genau die gleiche wie die von Ray. Der letzte Mann war Kathy. Seine Reaktion war negativ; er war so absolut gegen das, was ich vorschlug, wie Raymond und Andrew dafür waren. Noch stärker als Walter hatte er das Gefühl, durch die Einleitung von Gesprächen würde der Anschein erweckt, als kapitulierten wir. Wie Walter sagte er, im Prinzip sei er nicht gegen Verhandlungen, und ich antwortete ihm genauso, wie ich Walter geantwortet hatte. Kathy aber war unnachgiebig; er hatte das Gefühl, ich ginge in die falsche Richtung. Doch trotz seiner Bedenken sagte er, er werde mir nicht im Weg stehen.
Nicht lange danach erhielt ich eine Nachricht von Oliver Tambo, die von einem meiner Rechtsanwälte eingeschmuggelt worden war. Er hatte Berichte gehört, ich führe geheime Diskussionen mit der Regierung, und er war besorgt. Er sagte, er wisse, daß ich seit einiger Zeit allein und von meinen Kollegen getrennt sei. Er muß sich gefragt haben: Was ist mit Mandela los? Olivers Nachricht war kurz und sachlich. Er wollte wissen, worüber ich mit der Regierung diskutiere. Oliver konnte unmöglich glauben, daß ich unsere Sache verkaufte, aber vielleicht dachte er, ich irre mich in meinem Urteil. Tatsächlich ließ der Tenor seiner Nachricht darauf schließen.
Ich antwortete Oliver mit einem sehr knappen Brief, in dem stand, ich spräche mit der Regierung nur über eine einzige Sache: ein Treffen zwischen dem Nationalen Exekutivkomitee des ANC und der südafrikanischen Regierung. Ich wollte keine Einzelheiten schildern, da ich der Vertraulichkeit der Kommunikation nicht trauen konnte. Ich schrieb einfach, die Zeit für solche Gespräche sei gekommen und ich würde die Organisation in keiner Weise kompromittieren.
Obwohl der ANC seit Jahrzehnten Gespräche mit der Regierung forderte, waren wir nie mit der tatsächlichen Aussicht auf solche Gespräche konfrontiert worden. Es ist eine Sache, sie theoretisch zu erwägen, und eine ganz andere, sie aufzunehmen. Während ich meine Antwort an Oliver schrieb, begann ich auch, mein Memorandum an P. W. Botha zu entwerfen. Ich wollte sicherstellen, daß Oliver auch das sah. Ich wußte, wenn Oliver und das Nationale Exekutivkomitee mein Memo lesen würden, würden auch ihre Ängste zerstreut, ich hätte den gemeinsamen Weg verlassen.
Das erste formelle Treffen der geheimen Arbeitsgruppe fand im Mai 1988 in einem noblen Offizierskasino auf dem Gelände von Pollsmoor statt. Coetsee und Willemse kannte ich zwar, doch van der Merwe und Dr. Barnard hatte ich nie zuvor getroffen. Van der Merwe war ein ruhiger, besonnener Mann, der nur dann sprach, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hatte. Dr. Barnard war erst Mitte Dreißig und überaus klug, ein Mann von kontrollierter Intelligenz und Selbstdisziplin.
Das erste Treffen war ziemlich steif, doch in den folgenden Sitzungen konnten wir freier und direkter sprechen. Einige Monate lang traf ich mich fast jede Woche mit ihnen; danach erfolgten die Zusammenkünfte in unregelmäßigen Abständen, gelegentlich einen Monat lang gar nicht und dann auf einmal jede Woche. Gewöhnlich wurden die Treffen von der Regierung angesetzt, doch manchmal verlangte auch ich eine Sitzung.
Während der frühen Zusammenkünfte stellte ich fest, daß meine neuen Kollegen, mit Ausnahme von Dr. Barnard, wenig über den ANC wußten. Sie waren sämtlich gebildete Afrikander und wesentlich aufgeschlossener als fast alle ihre Brüder. Allerdings waren sie Opfer so umfassender Propaganda, daß sie zunächst über gewisse Tatsachen
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