Der lange Weg zur Freiheit
aufgeklärt werden mußten. Sogar Dr. Barnard, der eine Studie über den ANC verfaßt hatte, hatte den größten Teil seiner Informationen von der Polizei und aus Geheimdienstakten bezogen, die im wesentlichen unzutreffend und von den Vorurteilen derer gefärbt waren, die sie gesammelt hatten. So unterlag er zwangsläufig den gleichen Voreingenommenheiten.
Am Anfang brachte ich einige Zeit damit zu, die Geschichte des ANC zu skizzieren und dann unsere Positionen in den wesentlichen Punkten, welche die Organisation und die Regierung entzweiten, zu erklären. Nach diesen Präliminarien konzentrierten wir uns auf die kritischen Themen: den bewaffneten Kampf, die Allianz des ANC mit der Kommunistischen Partei, das Ziel der Mehrheitsregierung und die Idee rassischer Versöhnung.
Das erste Thema, das aufkam, war in vieler Hinsicht das entscheidendste, nämlich der bewaffnete Kampf. Mit seiner Diskussion brachten wir einige Monate zu. Sie bestanden darauf, der ANC müsse auf Gewalt verzichten und den bewaffneten Kampf aufgeben, ehe die Regierung in Verhandlungen einwilligen würde – und ehe ich Präsident Botha treffen könne. Ihre Behauptung lautete, Gewalt sei nichts anderes als kriminelles Verhalten, das der Staat nicht dulden könne.
Ich antwortete, der Staat sei für die Gewalt verantwortlich und es sei immer der Unterdrücker, nicht der Unterdrückte, der die Form des Kampfes diktiere. Wenn der Unterdrücker Gewalt anwendet, hat der Unterdrückte keine andere Wahl, als gewaltsam zu reagieren. In unserem Fall war das einfach eine legitime Form der Selbstverteidigung. Ich erlaubte mir die Aussage, wenn der Staat sich entscheide, friedliche Methoden anzuwenden, werde der ANC ebenfalls friedliche Mittel benutzen. »Es ist an Ihnen«, sagte ich, »und nicht an uns, auf Gewalt zu verzichten.«
Ich denke, daß ich in diesem Punkt ihr Verständnis vertiefte, aber das Thema wurde bald von einer philosophischen zu einer praktischen Frage. Minister Coetsee und Dr. Barnard meinten, die National Party habe wiederholt erklärt, sie werde mit keiner Organisation verhandeln, die Gewalt befürworte; wie könne sie nun plötzlich Gespräche mit dem ANC ankündigen, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren? Sie sagten, damit Gespräche beginnen könnten, müsse der ANC einen Kompromiß eingehen, so daß die Regierung vor ihrem eigenen Volk nicht das Gesicht verliere.
Das war ein begreiflicher Einwand, den ich gut verstehen konnte, aber ich wollte ihnen keinen Ausweg anbieten. »Meine Herren«, sagte ich, »es ist nicht meine Aufgabe, Ihr Dilemma für Sie zu lösen.« Ich sagte ihnen einfach, sie müßten ihrem Volk sagen, daß es keinen Frieden und keine Lösung der Situation in Südafrika geben könne, ohne daß sie sich mit dem ANC zusammensetzten. Das Volk wird das verstehen, sagte ich.
Das Bündnis des ANC mit der Kommunistischen Partei schien sie ebenso zu stören wie der bewaffnete Kampf. Die National Party hing noch der engstirnigen Ideologie des kalten Krieges aus den fünfziger Jahren an und betrachtete die Sowjetunion als das Reich des Bösen und den Kommunismus als Teufelswerk. Man konnte nichts tun, um sie von dieser Auffassung abzubringen. Sie behaupteten, die Kommunistische Partei dominiere und kontrolliere den ANC und ehe Verhandlungen beginnen könnten, müßten wir mit der Partei brechen.
Zunächst einmal, sagte ich, werde kein Freiheitskämpfer mit einiger Selbstachtung Befehle von der Regierung entgegennehmen, gegen die er kämpfe, oder einen langjährigen Verbündeten über Bord werfen, um einem Gegner zu gefallen. Dann erklärte ich ausführlich, die Partei und der ANC seien getrennte und deutlich unterschiedene Organisationen, welche die gleichen kurzfristigen Ziele hätten, die Beseitigung der rassischen Unterdrückung und die Geburt eines nichtrassistischen Südafrika; unsere langfristigen Ziele seien jedoch nicht dieselben.
Die Diskussion zog sich über Monate hin. Wie die Mehrheit der Afrikander dachten sie, da die meisten Kommunisten im ANC Weiße oder Inder waren, würden diese die schwarzen ANC-Mitglieder kontrollieren. Ich führte viele Gelegenheiten an, bei denen ANC und CP politische Meinungsverschiedenheiten gehabt und der ANC sich durchgesetzt hatte, doch das schien sie nicht zu beeindrucken. Schließlich sagte ich verzweifelt: »Meine Herren, Sie halten sich doch für intelligent, nicht wahr? Sie halten sich für stark und überzeugend, nicht? Nun, Sie sind zu viert, und ich bin
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