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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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allein, und Sie können mich nicht kontrollieren oder dazu bewegen, meine Meinung zu ändern. Weshalb denken Sie, die Kommunisten könnten da Erfolg haben, wo Sie gescheitert sind?«
    Sie waren auch besorgt über den Gedanken der Verstaatlichung und behaupteten, der ANC und die Freiheits-Charta träten für die pauschale Verstaatlichung der südafrikanischen Wirtschaft ein. Ich erklärte, wir seien für eine gleichmäßigere Verteilung der Profite gewisser Industrien, von Industrien, die bereits Monopole seien, und in einigen dieser Bereiche könne es zu Verstaatlichungen kommen. Doch ich wies sie auf einen im Jahre 1956 für die Liberation geschriebenen Artikel hin, in dem ich erklärt hatte, die Freiheits-Charta sei keine Blaupause für den Sozialismus, sondern für einen Kapitalismus afrikanischen Stils. Ich sagte ihnen, ich hätte meine Meinung seither nicht geändert.
    Ein weiteres wichtiges Diskussionsthema war die Frage der Mehrheitsregierung. Sie meinten, wenn die Mehrheit regiere, würden die Rechte von Minderheiten mit Füßen getreten. Sie wollten wissen, wie der ANC die Rechte der weißen Minderheit schützen würde. Ich sagte, es gebe keine Organisation in der Geschichte Südafrikas, die mit dem ANC vergleichbar sei, der versuche, alle Völker und Rassen Südafrikas zu einen. Ich wies sie auf die Präambel der Freiheits-Charta hin: »Südafrika gehört allen, die in diesem Land leben, Schwarz und Weiß.« Ich sagte ihnen, die Weißen seien gleichfalls Afrikaner und bei jeder zukünftigen Regelung werde die Mehrheit die Minderheit brauchen. Wir wollten sie nicht ins Meer jagen, sagte ich.
     
     
    Die Zusammenkünfte hatten einen positiven Effekt. Im Winter 1988 sagte man mir, Präsident Botha habe die Absicht, mich vor Ende August zu sehen. Das Land war noch immer in Aufruhr. Sowohl 1987 als auch 1988 hatte die Regierung erneut den Ausnahmezustand verhängt. Der internationale Druck stieg. Weitere Firmen verließen Südafrika. Der amerikanische Kongreß hatte umfassende Sanktionen beschlossen.
    1987 feierte der ANC seinen 75. Geburtstag und hielt am Jahresende eine Konferenz in Tansania ab, die von Delegierten aus mehr als fünfzig Nationen besucht wurde. Oliver erklärte, der bewaffnete Kampf werde intensiviert, bis die Regierung bereit sei, über die Abschaffung der Apartheid zu verhandeln. Zwei Jahre zuvor, bei der Konferenz des ANC in Kabwe in Sambia zum 30. Jahrestag der Freiheits-Charta, waren zum erstenmal Angehörige anderer Rassen in das Nationale Exekutivkomitee gewählt worden, und das NEC versprach, es würden keine Gespräche mit der Regierung geführt, ehe nicht alle ANC-Führer aus dem Gefängnis entlassen worden seien.
    Obwohl die Gewalt noch immer um sich griff, war die National Party nie stärker gewesen. Bei den allgemeinen weißen Wahlen im Mai 1987 errangen die Nationalisten eine überwältigende Mehrheit. Schlimmer noch, die liberale Progressive Federal Party wurde als offizielle Opposition durch die Conservative Party ersetzt, die rechts von den Nationalisten stand und ihre Kampagne mit dem Thema führte, die Regierung sei der schwarzen Opposition gegenüber zu nachsichtig.
    Trotz meines Optimismus wegen der Geheimgespräche war es eine schwierige Zeit. Ich hatte kürzlich einen Besuch von Winnie erhalten und erfahren, daß West-Orlando 8115, das Haus, in dem wir geheiratet hatten und das ich als mein Zuhause betrachtete, von Brandstiftern in Schutt und Asche gelegt worden war. Wir hatten unschätzbare Familienaufzeichnungen, Fotos und Andenken verloren, sogar das Stück von der Hochzeitstorte, das Winnie für meine Entlassung aufbewahrt hatte. Ich hatte immer gedacht, wenn ich eines Tages aus dem Gefängnis käme, würde ich die Vergangenheit wieder einholen können, indem ich mir diese Bilder und Briefe anschaute, und nun waren sie nicht mehr da. Das Gefängnis hatte mir meine Freiheit geraubt, aber nicht meine Erinnerungen, und nun hatte ich das Gefühl, einige Feinde des Kampfes hätten versucht, mir sogar diese zu nehmen.
    Ich litt auch unter einem schlimmen Husten, den ich anscheinend nicht loswerden konnte, und fühlte mich oft zu schwach für meine Übungen. Ich hatte mich weiterhin über die Feuchtigkeit meiner Zelle beschwert, doch nichts war dagegen unternommen worden. Eines Tages, als mein Anwalt Ismail Ayob im Besuchsraum mit mir sprach, fühlte ich mich krank und mußte mich übergeben. Ich wurde in meine Zelle zurückgebracht und von einem Arzt untersucht, und bald

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