Der lange Weg zur Freiheit
ging es mir besser. Einige Tage später jedoch war ich nach dem Abendessen in meiner Zelle, als einige Wärter und ein Arzt kamen. Der Arzt untersuchte mich flüchtig, und dann sagte mir einer der Wärter, ich solle mich anziehen. »Wir bringen Sie nach Kapstadt ins Krankenhaus«, sagte man mir. Die Sicherheitsvorkehrungen waren umfassend; ich fuhr in einem Konvoi von Autos und Militärfahrzeugen, begleitet von mindestens einem Dutzend Wärter.
Ich wurde in das Tygerberg Hospital auf dem Gelände der Universität von Stellenbosch in einer reichen, begrünten Gegend des Kap gebracht. Wie ich später herausfand, hätten die Behörden beinahe eine andere Einrichtung gewählt, weil sie fürchteten, in einem Universitätskrankenhaus könne ich Sympathie und Interesse erregen. Die Wärter gingen zuerst hinein und vertrieben alle Anwesenden aus dem Eingangsbereich. Dann wurde ich in ein Stockwerk geführt, das man völlig geleert hatte. Auf dem Gang standen mehr als ein Dutzend bewaffnete Wachen.
Auf einem Tisch im Untersuchungsraum wurde ich von einem jungen und liebenswürdigen Arzt untersucht, der gleichzeitig Professor an der medizinischen Fakultät der Universität war. Er schaute in meinen Hals, klopfte mir auf die Brust, nahm einige Blutproben und erklärte mich binnen kürzester Zeit für gesund. »Mit Ihnen ist alles in Ordnung«, sagte er mit einem Lächeln. »Wahrscheinlich können wir Sie morgen entlassen.« Ich wollte nur ungern meine Gespräche mit der Regierung versäumen und war daher froh über seine Diagnose.
Nach der Untersuchung fragte der Arzt mich, ob ich gern Tee trinken würde. Ich bejahte, und ein paar Minuten später kam eine große, junge, farbige Krankenschwester mit einem Tablett herein. Die Anwesenheit all der bewaffneten Wachen und Wärter erschreckte sie dermaßen, daß sie das Tablett auf mein Bett fallen ließ und den Tee verschüttete, ehe sie hinauslief.
Ich verbrachte die Nacht in der leeren Krankenstation unter schwerer Bewachung. Am nächsten Morgen wurde ich als erstes, noch vor dem Frühstück, von einem älteren Arzt besucht, dem Chef der internistischen Abteilung des Krankenhauses. Er war ein nüchterner Typ und am Krankenbett weit weniger freundlich als der herzliche junge Arzt vom Vorabend. Ohne irgendwelche Präliminarien klopfte er mir grob auf die Brust und sagte barsch: »Sie haben Wasser in der Lunge.« Ich berichtete ihm, der vorige Arzt habe Tests durchgeführt und gesagt, ich sei in Ordnung. Mit einem Anflug von Ärger sagte er: »Mandela, sehen Sie sich Ihre Brust an.« Er wies darauf hin, daß eine Seite meiner Brust tatsächlich breiter war als die andere, und sagte, sie sei wahrscheinlich mit Wasser gefüllt.
Er wies eine Krankenschwester an, ihm eine Spritze zu bringen, stach sie mir ohne weitere Vorkehrungen in die Brust und zog etwas bräunliche Flüssigkeit heraus. »Haben Sie gefrühstückt?« fragte er. Ich verneinte. »Gut«, sagte er, »wir bringen Sie gleich in den Operationssaal.« Er sagte, ich hätte viel Wasser in der Lunge und er wolle es sofort entfernen.
Im Operationssaal erhielt ich eine Narkose, und das nächste, woran ich mich erinnere, ist, daß ich in einem Raum in Gegenwart des Arztes erwachte. Ich war benommen, aber ich konzentrierte mich auf das, was er sagte. Er hatte zwei Liter Wasser aus meiner Brust geholt, und als die Flüssigkeit analysiert wurde, hatte man Tuberkulosebazillen entdeckt. Er sagte, die Krankheit befinde sich in einem sehr frühen Stadium und der Bazillus habe die Lunge noch nicht geschädigt. Die Heilung einer voll entwickelten Tuberkulose dauere normalerweise ein halbes Jahr, meinte er, aber ich würde wohl in zwei Monaten wieder gesund sein. Der Doktor war mit mir der Meinung, die feuchte Zelle habe wahrscheinlich zu meiner Erkrankung beigetragen.
Die nächsten sechs Wochen verbrachte ich in Tygerberg, wurde behandelt und erholte mich. Im Dezember wurde ich in die Constantiaberge-Klinik verlegt, eine luxuriöse Einrichtung in der Nähe von Pollsmoor, die noch nie zuvor einen schwarzen Patienten beherbergt hatte. Am ersten Morgen dort erhielt ich einen frühen Besuch von Kobie Coetsee, begleitet von Major Marais, einem Deputy Commander, der für meine Beaufsichtigung verantwortlich war. Kaum hatten wir Grüße ausgetauscht, als die Ordonnanz auch schon mein Frühstück hereinbrachte.
Aufgrund meiner jüngsten Krankheit und meiner Vorgeschichte von Bluthochdruck hatte man mich auf streng
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