Der lange Weg zur Freiheit
sprach nicht im Besuchsbereich mit dem General, sondern wurde zu seiner Residenz auf dem Gelände von Pollsmoor gebracht.
Willemse ist jemand, der keine Umschweife macht, und wir kamen sofort zur Sache. Ich sagte ihm, ich wolle Kobie Coetsee, den Justizminister, sehen. Er fragte mich nach dem Grund. Ich zögerte einen Augenblick, da es mir widerstrebte, mit einem Gefängnisbeamten politische Angelegenheiten zu diskutieren. Doch dann antwortete ich freimütig: »Ich möchte den Minister sehen, um die Frage von Gesprächen zwischen der Regierung und dem ANC zu erörtern.«
Er dachte einen Augenblick darüber nach und sagte dann: »Mandela, wie Sie wissen, bin ich kein Politiker. Ich kann solche Themen selbst nicht diskutieren, weil sie meine Befugnisse überschreiten.« Dann hielt er inne, als sei ihm gerade etwas eingefallen. »Wie es der Zufall will«, sagte er, »ist der Justizminister gerade in Kapstadt. Vielleicht können Sie ihn sehen. Ich werde das feststellen.«
Dann rief der General den Minister an, und beide sprachen kurze Zeit miteinander. Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, wandte der General sich an mich und sagte: »Der Minister hat gesagt: ›Bringt ihn her.‹« Minuten später verließen wir die Residenz des Generals in seinem Auto und fuhren zum Haus des Ministers in Kapstadt. Die Sicherheitsvorkehrungen waren gering; nur ein weiterer Wagen begleitete das Fahrzeug des Generals. Die Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit der diese Begegnung zustande kam, ließen mich argwöhnen, daß die Regierung dieses Rendezvous vielleicht vorausgeplant hatte. Ob das der Fall war oder nicht, war unwichtig; es war eine Gelegenheit, den ersten Schritt in Richtung auf Verhandlungen zu tun.
In seiner offiziellen Residenz in der Stadt begrüßte Coetsee mich herzlich, und wir nahmen in bequemen Sesseln in seiner Halle Platz. Er entschuldigte sich, weil ich keine Gelegenheit hatte, mich umzuziehen und meine Gefängniskleidung abzulegen. Ich verbrachte drei Stunden im Gespräch mit ihm und war beeindruckt von seiner Differenziertheit und seiner Bereitschaft, zuzuhören. Er stellte kenntnisreiche und relevante Fragen – Fragen, die Vertrautheit mit den Themen verrieten, welche die Regierung und den ANC trennten. Er fragte mich, unter welchen Umständen wir den bewaffneten Kampf einstellen würden; ob ich für den ANC als Ganzes spräche oder nicht; ob ich irgendwelche konstitutionellen Garantien für Minderheiten in einem neuen Südafrika ins Auge fasse. Seine Fragen trafen den Kern der Themen, die Regierung und ANC entzweiten.
Nachdem ich ihm ungefähr genauso geantwortet hatte wie der Gruppe der hervorragenden Persönlichkeiten, spürte ich, daß Coetsee irgendeine Lösung wollte. »Was ist der nächste Schritt?« fragte er. Ich sagte ihm, ich wolle den Staatspräsidenten und den Außenminister Pik Botha sehen. Coetsee notierte dies auf einem kleinen Block neben ihm und sagte, er werde meine Anfrage durch die entsprechenden Kanäle weiterleiten. Dann schüttelten wir uns die Hände, und ich wurde zu meiner einsamen Zelle im Erdgeschoß des Gefängnisses von Pollsmoor zurückgefahren.
Ich fühlte mich sehr ermutigt. Ich spürte, daß die Regierung bemüht war, aus der Sackgasse herauszukommen, in der das Land steckte, und nun überzeugt war, daß sie von ihren alten Positionen abrücken mußte. In geisterhaften Umrissen sah ich die Anfänge eines Kompromisses.
Ich erzählte keinem von meiner Begegnung. Ich wollte, daß der Prozeß in Gang kam, ehe ich jemanden informierte. Manchmal ist es notwendig, die eigenen Kollegen mit einer Politik zu konfrontieren, die bereits ein Fait accompli ist. Ich wußte, wenn sie die Situation erst genau prüften, würden meine Kollegen in Pollsmoor und Lusaka mich unterstützen. Doch nach diesem vielversprechenden Beginn geschah wieder nichts. Wochen und Monate vergingen ohne ein Wort von Coetsee. Einigermaßen frustriert schrieb ich ihm einen weiteren Brief.
Obwohl ich keine direkte Antwort von Kobie Coetsee erhielt, gab es andere Anzeichen dafür, daß die Regierung mich auf eine neue Art von Existenz vorbereitete. Am Tag vor Weihnachten kam Lieutenant Colonel Gawie Marx, der stellvertretende Kommandeur von Pollsmoor, nach dem Frühstück in meine Zelle und sagte beiläufig: »Mandela, möchten Sie gern die Stadt sehen?« Ich war nicht ganz sicher, was er im Sinn hatte, meinte aber, es könne nichts schaden, ja zu sagen. »Gut«, sagte er, »kommen Sie mit.« Ich ging mit
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