Der lange Weg zur Freiheit
Er hatte seine Schritte perfekt geplant, denn wir trafen uns genau auf halbem Wege. Er streckte die Hand aus und lächelte breit, und tatsächlich war ich von diesem allerersten Augenblick an völlig entwaffnet. Er verhielt sich tadellos höflich, respektvoll und freundlich.
Sehr rasch posierten wir für ein Foto, auf dem wir uns die Hand schüttelten, und setzten uns dann zusammen mit Kobie Coetsee, General Willemse und Dr. Barnard an einen langen Tisch. Tee wurde serviert, und wir begannen zu sprechen. Von Anfang an war das Gespräch nicht wie eine angespannte politische Diskussion, sondern eher wie ein lebhaftes und interessantes Kolloquium. Wir erörterten keine substantiellen Themto, sondern eher die südafrikanische Geschichte und Kultur. Ich erwähnte, daß ich in einem Afrikaans-Magazin kürzlich einen Artikel über die Rebellion der Afrikaner im Jahre 1914 gelesen hatte, bei der sie Städte im Freistaat besetzt hätten. Ich sagte, für mich sei unser Kampf eine Parallele zu diesem berühmten Aufstand, und wir sprachen eine ganze Weile über diese historische Episode. Natürlich sieht die südafrikanische Geschichte für einen Schwarzen ganz anders aus als für einen Weißen. Ihre Auffassung war, daß die Rebellion ein Streit unter Brüdern gewesen war, während mein Kampf ein revolutionärer sei. Ich sagte, man könne ihn auch als Kampf zwischen Brüdern betrachten, die zufällig verschiedene Hautfarben haben.
Das Treffen dauerte nicht einmal eine halbe Stunde und war bis zum Schluß freundlich und unbekümmert. Dann brachte ich ein ernsthaftes Thema zur Sprache. Ich bat Mr. Botha, alle politischen Gefangenen, mich selbst inbegriffen, ohne Bedingungen freizulassen. Das war der einzige angespannte Augenblick der Begegnung, und Mr. Botha sagte, er fürchte, das könne er nicht tun.
Dann gab es eine kurze Diskussion darüber, was wir sagen sollten, falls Informationen über das Treffen durchsickerten. Sehr schnell entwarfen wir ein nichtssagendes Statement des Inhalts, wir hätten uns zum Tee getroffen, um den Frieden im Land zu fördern. Nachdem wir uns darauf geeinigt hatten, stand Mr. Botha auf, reichte mir die Hand und sagte, es sei ihm ein Vergnügen gewesen. Tatsächlich war es das. Ich bedankte mich und ging auf dem gleichen Weg, auf dem ich gekommen war.
Was die Verhandlungen betrifft, war diese Begegnung kein Durchbruch gewesen, in anderer Hinsicht aber schon. Mr. Botha hatte seit langem über die Notwendigkeit gesprochen, den Rubikon zu überschreiten, doch er selbst tat das erst an diesem Morgen in Tuynhuys. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Etwas mehr als einen Monat später, im August 1989, verkündete P. W. Botha im landesweiten Fernsehen seinen Rücktritt als Staatspräsident. In einer eigenartig unzusammenhängenden Abschiedsrede beschuldigte er Kabinettsmitglieder des Vertrauensbruchs; sie hätten ihn ignoriert und dem African National Congress in die Hände gespielt. Am folgenden Tag wurde F. W. de Klerk als amtierender Präsident vereidigt und bestätigte sein Engagement für Wandel und Reform.
Für uns war Mr. de Klerk eine unbekannte Größe. Als er Vorsitzender der National Party wurde, schien er vor allem ein Parteimann zu sein, nicht mehr und nicht weniger. Nichts in seiner Vergangenheit deutete auf Reformgeist hin. Als Erziehungsminister hatte er versucht, schwarze Studenten von den weißen Universitäten fernzuhalten. Doch als er die National Party übernahm, fing ich an, ihn aufmerksam zu beobachten. Ich las alle seine Reden, hörte zu, was er sagte, und begann zu sehen, daß er für eine wirkliche Abkehr von der Politik seines Vorgängers stand. Er war kein Ideologe, sondern ein Pragmatiker, ein Mann, der Wandel als notwendig und unvermeidlich ansah. Am Tag seiner Vereidigung schrieb ich ihm einen Brief und bat um ein Treffen.
In seiner Antrittsrede sagte Mr. de Klerk, seine Regierung sei dem Frieden verpflichtet und sie werde mit allen anderen Gruppen verhandeln, die sich ebenfalls für den Frieden einsetzten. Doch sein Engagement für eine neue Ordnung zeigte sich erst nach seiner Amtseinführung, als in Kapstadt eine Demonstration geplant war, um gegen die Brutalität der Polizei zu protestieren. Sie sollte von Bischof Tutu und Reverend Allan Boesak angeführt werden. Unter Präsident Botha wäre sie verboten worden, die Demonstranten hätten dieses Verbot mißachtet und es wäre zu Gewalt gekommen. Der neue Präsident hielt sein Versprechen, die Einschränkungen
Weitere Kostenlose Bücher