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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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geben wird, solange dieses Prinzip nicht voll angewandt wird.«
    Am Ende des Briefes bot ich einen sehr summarischen Rahmen für Verhandlungen an.
     
     
    »Zwei politische Themen müssen zur Sprache kommen; erstens, die Forderung nach der Mehrheitsregel in einem einheitlichen Staat, zweitens die Sorge des weißen Südafrika wegen dieser Forderung sowie das Bestehen der Weißen auf strukturellen Garantien, daß die Mehrheitsregel nicht Herrschaft der Schwarzen über die weiße Minderheit bedeuten wird. Die entscheidendste Aufgabe, vor der die Regierung und der ANC stehen, wird es sein, diese beiden Positionen miteinander zu versöhnen.«
    Ich schlug vor, das solle in zwei Stadien geschehen. Das erste wäre eine Diskussion, um die richtigen Bedingungen für Verhandlungen zu schaffen; das zweite wären die eigentlichen Verhandlungen selbst. »Ich muß darauf hinweisen, daß der von mir unternommene Schritt Ihnen die Gelegenheit bietet, den gegenwärtigen Stillstand zu überwinden und die politische Situation des Landes zu normalisieren. Ich hoffe, Sie werden sie ohne Verzögerung ergreifen.«
    Doch es gab eine Verzögerung. Im Januar erlitt P. W. Botha einen Schlaganfall. Der Präsident wurde dadurch zwar nicht handlungsunfähig, war aber doch geschwächt und, seinem Kabinett zufolge, nur noch reizbarer. Im Februar trat Botha als Vorsitzender der National Party unerwartet zurück, behielt aber sein Amt als Staatspräsident. Das war eine Situation, die es in der Geschichte des Landes noch nicht gegeben hatte: Im parlamentarischen System Südafrikas wird der Führer der Mehrheitspartei Staatsoberhaupt. Präsident Botha war nun Staatsoberhaupt, aber nicht Führer seiner eigenen Partei. Einige sahen darin eine positive Entwicklung: Botha wolle »über der Parteipolitik« stehen, um einen wirklichen Wandel in Südafrika herbeizuführen.
    Politische Gewalt und internationaler Druck nahmen weiterhin zu. Politische Gefangene überall im Lande hatten erfolgreich einen Hungerstreik durchgeführt und den Minister für Gesetz und Ordnung dazu bewegt, mehr als 900 von ihnen freizulassen. 1989 schloß die UDF ein Bündnis mit dem Congress of South African Trade Unions (COSATU), um die Mass Democratic Movement (MDM) zu bilden, das dann begann, eine landesweite »Mißachtungskampagne« zivilen Ungehorsams zu organisieren, um die Institutionen der Apartheid herauszufordern. An der internationalen Front führte Oliver Gespräche mit den Regierungen Großbritanniens und der Sowjetunion, und im Januar 1987 traf er sich mit dem amerikanischen Außenminister George Shultz in Washington. Die Amerikaner erkannten den ANC als unentbehrliches Element bei jeder Lösung in Südafrika an. Die Sanktionen gegen Südafrika blieben in Kraft und wurden sogar verstärkt.
    Die politische Gewalt hatte auch ihre tragische Seite. Als die Gewalttaten in Soweto zunahmen, gestattete meine Frau einer Gruppe junger Männer, als ihre Leibwächter tätig zu werden, wenn sie sich durch die Township bewegte. Diese jungen Männer waren unausgebildet und undiszipliniert und ließen sich auf Aktivitäten ein, die dem Befreiungskampf abträglich waren. In der Folge wurde Winnie juristisch in den Prozeß eines ihrer Leibwächter verwickelt, der wegen Mordes an einem jungen Kameraden verurteilt wurde. Die Situation war zutiefst verstörend für mich, denn ein solcher Skandal diente nur dazu, die Bewegung in einer Zeit zu spalten, in der Einheit wesentlich war. Ich unterstützte meine Frau voll und ganz und vertrat die Auffassung, sie habe zwar mangelhafte Urteilskraft an den Tag gelegt, sei aber im Hinblick auf alle schwerwiegenden Vorwürfe unschuldig.
    In diesem Juli wurde ich an meinem 71. Geburtstag von meiner nahezu vollzähligen Familie in Victor Verster besucht. Das war das erste Mal, daß ich je mit meiner Frau, meinen Kindern und Enkeln gleichzeitig zusammen war, und es war ein großartiger und glücklicher Anlaß. Warrant Officer Swart übertraf sich selbst bei der Vorbereitung eines Festmahls, und er wurde nicht einmal böse, als ich einigen der Enkelkinder gestattete, ihre Süßigkeiten vor dem Hauptgang zu essen. Nach der Mahlzeit gingen die Enkel in mein Schlafzimmer, um sich ein Video anzusehen, während die Erwachsenen draußen im Wohnraum blieben und plauderten. Es war eine tiefe, tiefe Freude, meine ganze Familie um mich zu haben, und der einzige Schmerz war das Wissen, daß ich solche Anlässe so viele Jahre lang versäumt hatte.
    Am 4. Juli wurde ich

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