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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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seiner Antwort beeindruckt, sagte aber, die Idee der »Gruppenrechte« steigere eher die Ängste der Schwarzen, als daß sie die der Weißen lindere. Darauf meinte de Klerk: »Dann werden wir sie ändern müssen.«
    Danach brachte ich die Frage meiner Freiheit auf und sagte, wenn er erwarte, nach meiner Entlassung würde ich mich still und unauffällig verhalten, irre er sich sehr. Ich versicherte noch einmal, wenn ich in die gleichen Zustände hinein entlassen würde, aus denen heraus ich verhaftet worden war, würde ich wieder genau das tun, wofür man mich eingesperrt hatte. Ich gab ihm zu bedenken, daß der beste Weg zum Fortschritt darin bestehe, den ANC und alle anderen politischen Organisationen zuzulassen, den Ausnahmezustand aufzuheben, die politischen Gefangenen freizulassen und den Exilierten die Heimkehr zu gestatten. Wenn die Regierung das Verbot des ANC nicht aufhebe, sobald ich entlassen sei, würde ich für eine illegale Organisation arbeiten. »Dann«, sagte ich, »müssen Sie mich gleich wieder verhaften, nachdem ich das Gefängnistor durchschritten habe.«
    Wieder hörte er aufmerksam zu, was ich zu sagen hatte. Meine Vorschläge kamen für ihn gewiß nicht überraschend. Er sagte, er werde all das bedenken, verspreche aber nichts. Das Treffen sollte das Terrain sondieren, und ich begriff, daß an diesem Tag nichts gelöst werden würde. Doch die Begegnung war überaus nützlich, denn ich hatte die Maße von Mr. de Klerk genommen, genau wie die neuer Gefängniskommandeure, als ich auf Robben Island war. Ich konnte unseren Leuten in Lusaka schreiben, daß Mr. de Klerk anscheinend wirklich eine Abkehr von der früheren Politik der National Party verkörpere. Mr. de Klerk, sagte ich und wiederholte damit die berühmte Beschreibung Gorbatschows durch Mrs. Thatcher, sei ein Mann, mit dem wir Geschäfte machen könnten.
    Am 2. Februar 1990 stand F. W. de Klerk vor dem Parlament, um die traditionelle Eröffnungsrede zu halten, und tat etwas, das kein südafrikanisches Staatsoberhaupt je zuvor getan hatte: Er begann wahrhaftig, das System der Apartheid zu demontieren und bereitete den Boden für ein demokratisches Südafrika. Auf dramatische Weise kündigte Mr. de Klerk die Aufhebung des Verbots von ANC, PAC, South African Communist Party und 31 anderen illegalen Organisationen, die Freilassung wegen gewaltfreier Aktivitäten inhaftierter politischer Gefangener, die Abschaffung der Todesstrafe sowie die Aufhebung verschiedener durch den Ausnahmezustand erzwungener Beschränkungen an. »Die Zeit für Verhandlungen ist gekommen«, sagte er.
    Es war ein atemberaubender Augenblick, denn sozusagen im Schnellgang hatte er tatsächlich die Situation in Südafrika normalisiert. Über Nacht war unsere Welt verändert. Nach 40 Jahren Verfolgung und Verbot war der ANC jetzt eine legale Organisation. Ich und alle meine Kameraden konnten nicht mehr verhaftet werden, weil wir Mitglieder des ANC waren, sein grüngelb-schwarzes Banner trugen und in seinem Namen sprachen. Zum erstenmal seit fast 30 Jahren konnten meine Worte und Bilder wie die all meiner verbannten Kameraden frei in südafrikanischen Zeitungen erscheinen. Die internationale Gemeinschaft begrüßte begeistert de Klerks kühne Taten. Trotz all der guten Neuigkeiten hatte der ANC jedoch Einwände gegen die Tatsache, daß Mr. de Klerk den Ausnahmezustand nicht völlig aufgehoben und auch nicht den Abzug der Truppen aus den Townships befohlen hatte.
    Am 9. Februar, sieben Tage nach Mr. de Klerks Rede zur Eröffnung des Parlaments, teilte man mir mit, ich würde erneut nach Tuynhuys fahren. Ich kam um sechs Uhr abends dort an. In seinem Büro traf ich einen lächelnden Mr. de Klerk, und als wir uns die Hand schüttelten, sagte er mir, er werde mich am folgenden Tag aus dem Gefängnis entlassen. Obwohl die Presse Südafrikas und der ganzen Welt seit Wochen über meine unmittelbar bevorstehende Entlassung spekuliert hatte, war Mr. de Klerks Ankündigung für mich eine Überraschung. Man hatte mir nicht mitgeteilt, daß Mr. de Klerk mich sehen wollte, um mir zu sagen, daß er mich zu einem freien Mann machte.
    Ich empfand einen Konflikt zwischen Gefühl und Verstand. Ich wünschte mir zutiefst, das Gefängnis so bald wie möglich zu verlassen, aber es so kurzfristig zu tun, war nicht klug. Ich dankte Mr. de Klerk und sagte dann, selbst auf die Gefahr hin, undankbar zu erscheinen, hätte ich lieber eine Woche Zeit, damit meine Familie und meine Organisation sich auf

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