Der lange Weg zur Freiheit
Arbeitgeber unterzeichnet werden mußten.
Was unsere Pässe betraf, so waren diese glücklicherweise in Ordnung, doch es war damit noch nicht getan. Ein Afrikaner, der von seinem Verwaltungsbezirk in einen anderen reisen wollte, um dort zu arbeiten oder zu leben, benötigte Reisepapiere, eine Genehmigung und einen Brief von seinem Arbeitgeber oder, wie in unserem Fall, von unserem Vormund – und nichts davon hatten wir. Doch selbst wenn man all diese Papiere besaß, konnte ein Polizeibeamter einen schikanieren, weil irgendwo eine Unterschrift fehlte oder ein Datum nicht korrekt war. Gar keine Reisepapiere zu haben war äußerst riskant. Deshalb nahmen wir uns vor, in Queenstown auszusteigen, das Haus eines Verwandten aufzusuchen und uns die notwendigen Papiere zu besorgen. Einen wohldurchdachten Plan konnte man das kaum nennen, doch nahmen die Dinge in Queenstown zunächst eine glückliche Wendung. Auf dem Bahnsteig trafen wir Häuptling Mpondombini, einen Bruder des Regenten, der Justice und mich mochte.
Häuptling Mpondombini freute sich, uns zu sehen, und wir erklärten ihm, daß wir vom lokalen Magistrate die erforderlichen Reisepapiere brauchten. Über den wahren Zweck belogen wir ihn und behaupteten, wir hätten einen Auftrag des Regenten auszuführen. Häuptling Mpondombini war früher beim Native Affairs Department Dolmetscher gewesen, und er kannte den Obermagistrate gut. Der Häuptling hatte keinen Grund, unsere Erklärung anzuzweifeln, und er brachte uns sofort nicht nur zum Magistrate, sondern er bürgte auch für uns und erläuterte unser Dilemma. Der Magistrate stellte prompt die notwendigen Reisepapiere aus und versah sie mit dem offiziellen Stempel. Justice und ich lächelten uns verstohlen zu. Doch während der Magistrate uns die Papiere aushändigte, fiel ihm plötzlich etwas ein. Er sagte, es gehöre sich ganz einfach, daß er den Obermagistrate von Umtata informiere, in dessen Zuständigkeit wir fielen. Dies löste in uns einige Beklemmung aus, doch blieben wir in seinem Büro sitzen. Der Magistrate rief in Umtata an, und unser Pech wollte es, daß der Regent dem Obermagistrate von Umtata gerade einen Besuch abstattete und sich in dessen Büro befand.
Als der Magistrate unsere Situation dem Obermagistrate von Umtata erklärte, sagte dieser etwas wie: »Oh, der Vater der beiden ist zufällig gerade hier«, und überließ das Telefon dann dem Regenten. Als der Regent hörte, was wir verlangten, explodierte er: »Verhaftet die beiden!« rief er so laut, daß wir ihn durch den Telefonhörer verstehen konnten. »Und bringt sie sofort hierher zurück!« Der Magistrate legte auf. Er war außer sich. »Ihr seid Diebe und Lügner«, sagte er zu uns. »Ihr seid hierher gekommen und habt mir Lügen aufgetischt. Ihr habt meine guten Dienste mißbraucht und mich getäuscht. Jetzt werde ich euch festnehmen lassen.«
Sofort schwang ich mich zu unserer Verteidigung auf. Von meinem Studium in Fort Hare besaß ich ein wenig juristisches Wissen und setzte es ein. Ja, sagte ich, wir hätten ihn angelogen, das könnten wir nicht bestreiten. Doch hätten wir keine Straftat begangen und gegen kein Gesetz verstoßen und könnten nicht einfach auf Verlangen eines Häuptlings verhaftet werden, selbst wenn er unser Vater war. Dies schien ihn ein wenig zu beschwichtigen. Er verhaftete uns nicht, sagte jedoch, wir sollten sein Büro verlassen und uns nie wieder dort blicken lassen.
Auch Häuptling Mpondombini wollte nichts mehr mit uns zu tun haben, und so waren wir wieder ganz auf uns allein gestellt. Dann erinnerte sich Justice daran, daß er in Queenstown einen Freund namens Sidney Nxu hatte, der im Büro eines Rechtsanwalts arbeitete. Wir fanden diesen Mann, erklärten ihm unsere Lage, und er sagte, da hätten wir aber Glück: Die Mutter des Anwalts, für den er arbeitete, wollte noch am selben Tag nach Johannesburg fahren und er werde fragen, ob sie uns mitnehmen könne. Er erklärte uns, seine Mutter würde uns mitnehmen, allerdings gegen ein Entgelt von 15 Pfund Sterling. Dies war eine große Summe, weit höher als der Preis für die Bahnkarten, doch wir hatten keine Wahl. Wir beschlossen, das Risiko einzugehen, später in Johannesburg unsere Pässe abstempeln zu lassen und uns die ordnungsgemäßen Reisepapiere zu besorgen.
Am folgenden Morgen brachen wir auf. Justice und ich nahmen hinten im Auto Platz, während die Mutter des Anwalts vorn neben ihrem Fahrer saß. Seinerzeit war es üblich, daß Schwarze immer
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