Der lange Weg zur Freiheit
das Minengelände. Zu Zwischenfällen kam es nicht. Eines Abends stellte ich einen ziemlich betrunkenen Arbeiter, doch er zeigte mir bereitwillig seinen Ausweis und zog sich in sein Quartier zurück.
Justice und mir stieg unser Erfolg zu Kopf, und so rühmten wir uns unserer Gescheitheit gegenüber einem Freund, den wir von daheim kannten und der gleichfalls in den Minen arbeitete. Wir erzählten ihm, wir seien davongelaufen und hätten zu allem auch noch den Regenten ausgetrickst. Obwohl er gelobt hatte zu schweigen, ging er prompt zum Iduna und teilte ihm unser Geheimnis mit. Einen Tag später rief Piliso uns zu sich, und seine erste Frage an Justice lautete: »Wo ist die Erlaubnis des Regenten für deinen Bruder?« Justice sagte, er habe doch bereits erklärt, daß der Regent sie zur Post gegeben habe. Piliso schien damit nicht zufrieden, und wir spürten, daß etwas nicht stimmte. Dann langte Piliso in seinen Schreibtisch und holte ein Telegramm hervor. »Ich habe eine Botschaft vom Regenten«, sagte er mit ernster Stimme und reichte uns das Telegramm. Es enthielt einen einzigen Satz:
»DIE JUNGEN SOFORT NACH HAUSE SCHICKEN.«
Erst dann ließ Piliso seiner Verärgerung freien Lauf. Wir hätten ihn angelogen. Wir hätten seine Gastlichkeit und den guten Namen des Regenten mißbraucht. Er werde unter den Arbeitern Geld sammeln lassen, um uns per Eisenbahn zurückzuschicken in die Transkei. Justice protestierte. Wir wollten doch nichts weiter als auf der Mine arbeiten und wir könnten schließlich unsere eigenen Entscheidungen treffen. Aber seine Einwände fielen auf taube Ohren. Wir fühlten uns beschämt und erniedrigt, doch als wir Pilisos Büro verließen, waren wir entschlossen, nicht in die Transkei zurückzukehren.
Wir beschlossen, Dr. A. B. Xuma aufzusuchen. Dr. Xuma war ein alter Freund des Regenten und außerdem Generalpräsident des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). Dr. Xuma stammte aus der Transkei, und er war ein höchst geachteter Arzt. Seine medizinische Qualifikation hatte er in den Vereinigten Staaten und anderswo erworben, und die afrikanische Gemeinde zollte ihm geradezu Ehrfurcht.
Dr. Xuma freute sich, uns zu sehen. Höflich erkundigte er sich nach Familienangelegenheiten in Mqhekezweni. Wir erzählten ihm eine Reihe von Halbwahrheiten, wieso wir in Johannesburg waren und wie sehr wir uns einen Job in den Minen wünschten. Dr. Xuma sagte, er werde uns gern helfen, und rief sofort Mr. Wellbeloved von der Chamber of Mines an, einer machtvollen Organisation, welche die Minengesellschaften repräsentierte und die Anwerbung von Arbeitern für die Goldminen im Monopol kontrollierte. Mr. Xuma versicherte Mr. Wellbeloved, wir seien wahre Prachtkerle und er möge doch Jobs für uns finden. Wir dankten Dr. Xuma und machten uns auf zu Mr. Wellbeloved.
Mr. Wellbeloved war ein Weißer. Sein Büro war grandioser als irgendein anderes, das ich je gesehen hatte, mit einem Schreibtisch, der die Größe eines Fußballplatzes zu haben schien. Außer ihm war nur noch ein Minenboß namens Festile anwesend, und wir erzählten Mr. Wellbeloved das gleiche, was wir Dr. Xuma vorgeschwindelt hatten. Mr. Wellbeloved zeigte sich sehr beeindruckt von meiner nicht ganz wahrheitsgemäßen Erklärung, daß ich nach Johannesburg gekommen sei, um an der Universität von Witwatersrand mein Studium fortzusetzen. Nun, Freunde, sagte er, ich werde Sie mit dem Manager der Crown Mines, einem Mr. Piliso, bekannt machen, und ich werde ihm sagen, er solle euch Jobs als Clerks geben. Er habe seit 30 Jahren mit Mr. Piliso zusammengearbeitet, und in all den Jahren habe Piliso ihn nie im Stich gelassen. Justice und ich zuckten zusammen, sagten jedoch nichts. Trotz einiger Bedenken glaubten wir naiverweise, jetzt die Oberhand über Mr. Piliso zu haben, da wir ja seinen Boß, Mr. Wellbeloved, auf unserer Seite wußten.
Wir kehrten zu den Büros der Crown Mines zurück und wurden aufgrund des Briefes von Mr. Wellbeloved von dem weißen Lagerverwalter sehr zuvorkommend behandelt. Während er in seinen Akten nach irgend etwas suchte, kam Mr. Piliso hereingestürmt. Er mußte uns durch ein Fenster gesehen haben. »Ihr Burschen! Ihr seid zurückgekommen!« sagte er gereizt. »Was tut ihr hier?«
Justice blieb ruhig. »Wir sind von Mr. Wellbeloved geschickt worden«, erwiderte er, und sein Ton grenzte an Trotz. Mr. Piliso dachte einen Augenblick nach. »Hast du ihm gesagt, daß du deinem Vater davongelaufen bist?« konterte der Alte
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