Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
Vom Netzwerk:
nicht mehr sehr lange in dieser Welt sein werde, und bevor ich ins Land der Ahnen reise, habe ich die Pflicht, dafür zu sorgen, daß meine beiden Söhne sich ordentlich verheiraten. Dementsprechend habe ich für euch beide Verbindungen arrangiert.«
    Die Ankündigung war für uns eine Überraschung, und wir sahen einander an in einer Mischung aus Schock und Hilflosigkeit. Die zwei Mädchen, erklärte der Regent, kämen aus sehr guten Familien. Justice werde die Tochter von Khalipa, einem prominenten Thembu-Edelmann, heiraten und Rolihlahla, wie der Regent mich stets nannte, die Tochter des lokalen Thembu-Priesters. Die Hochzeiten sollten umgehend stattfinden. Der Lobola, der Brautpreis, normalerweise in der Gestalt von Vieh vom Vater des Bräutigams zu entrichten, werde für Justice von der Gemeinde bezahlt, in meinem Fall vom Regenten selbst.
    Justice und ich sagten wenig. Es war nicht an uns, Fragen an den Regenten zu richten, und für ihn war die Sache erledigt. Der Regent ließ sich auf keine Diskussion ein: Die Braut ist bereits ausgewählt, der Lobola bezahlt. Das war endgültig.
    Justice und ich gingen mit gesenkten Köpfen davon. Wir waren beide verwirrt und niedergeschlagen. Der Regent handelte in Übereinstimmung mit Gesetz und Brauchtum der Thembu, und seine Motive waren untadelig: Es ging ihm darum, noch zu seinen Lebzeiten unsere Zukunft zu regeln. Wir hatten immer gewußt, daß der Regent das Recht hatte, für Justice wie auch für mich eine Ehe zu arrangieren, doch jetzt war es keine abstrakte Möglichkeit mehr. Die Bräute waren keine Phantasien, sondern Frauen aus Fleisch und Blut, die wir wirklich kannten.
    Bei allem schuldigen Respekt gegenüber der betreffenden Familie wäre es unaufrichtig von mir, zu behaupten, das Mädchen, das der Regent für mich ausgewählt hatte, sei meine Traumbraut gewesen. Ihre Familie war prominent und geachtet, und sie war attraktiv auf würdige Weise, doch diese junge Dame, tut mir leid, war schon seit langem in Justice verliebt! Der Regent wußte davon nichts, so wie Eltern kaum jemals etwas über die romantische Seite im Leben ihrer Kinder wissen. Jedenfalls war die mir zugedachte Partnerin zweifellos genausowenig darauf erpicht, mich aufgehalst zu bekommen wie umgekehrt.
    Zu dieser Zeit war ich politisch weniger fortgeschritten als gesellschaftlich. Während ich nicht daran dachte, das politische System des weißen Mannes zu bekämpfen, war ich durchaus bereit, gegen das soziale System meines eigenen Volkes zu rebellieren. Ironischerweise war der Regent selbst indirekt dafür verantwortlich, denn es war die von ihm gewährte Erziehung, die mich dazu veranlaßt hatte, solche traditionellen Sitten abzulehnen. Auf dem College und an der Universität hatte ich jahrelang zusammen mit Frauen studiert und hatte auch eine kleine Handvoll Liebesaffären gehabt. Ich war ein Romantiker und wollte niemandem, nicht einmal dem Regenten, das Recht einräumen, eine Braut für mich auszusuchen.
    Ich sprach bei der Königin, der Frau des Regenten, vor und legte ihr meinen Fall dar. Natürlich konnte ich nicht einfach sagen, ich wünschte nicht, daß der Regent eine Braut für mich aussuchte, denn damit hätte ich bei ihr gewiß keinen Anklang gefunden. Statt dessen erzählte ich ihr, ich würde lieber ein Mädchen heiraten, das eine ihrer Verwandten war und das ich als künftige Partnerin höchst begehrenswert fände. Die junge Dame war tatsächlich sehr attraktiv, aber ich hatte keine Ahnung, was sie von mir hielt. Ich erklärte, ich würde sie sofort nach Studienabschluß heiraten. Dies war nur zur Hälfte ein Trick; auf jeden Fall schien es mir eine bessere Alternative zu sein als der Plan des Regenten. Die Königin ergriff für mich Partei. Doch der Regent ließ sich nicht umstimmen. Er hatte seine Entscheidung getroffen und hielt daran fest.
    Damals hatte ich das Gefühl, daß er mir keine Wahl ließ. Keinesfalls würde ich mich zu dieser Ehe zwingen lassen, weil mir das ebenso unfair wie unklug erschien. Gleichzeitig fühlte ich, daß ich nicht länger unter der Obhut des Regenten bleiben konnte, wenn ich seinen Plan zurückwies. Justice empfand genauso. Wir beratschlagten uns und befanden, daß es für uns keine andere Wahl gab, als davonzulaufen, und der einzige Ort, der für uns in Frage kam, war Johannesburg.
    Rückblickend erkenne ich, daß wir nicht alle uns offenstehenden Möglichkeiten ausschöpften. Ich hätte versuchen können, die Angelegenheit mit dem Regenten

Weitere Kostenlose Bücher