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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Angelegenheit, weil das Erz nur in geringem Maße Gold enthielt und tief unter der Erde lag. Profitabel war die Goldförderung nur durch das Vorhandensein billiger Arbeitskräfte in Gestalt von Tausenden unentwegt schuftenden Afrikanern, die lange Stunden für wenig Geld arbeiteten und keine Rechte besaßen – so wurde die Goldförderung profitträchtig für die sogenannten Mining Houses, Gesellschaften in weißer Hand, die auf dem Rücken von Afrikanern reich wurden, weit über die Träume eines Krösus hinaus. Nie zuvor hatte ich ein solches Unternehmen gesehen, so große Maschinen, eine solch methodische Organisation und solch zermürbende Arbeit. Hier sah ich zum erstenmal den südafrikanischen Kapitalismus in Aktion, und ich wußte, daß ich hier eine neue Art von Erziehung erhalten würde.
    Auf dem Minengelände gingen wir sofort zum Chief-»Induna«, dem Aufseher. Er hieß Piliso und war ein zäher alter Kerl, der alle Härten des Lebens durchgemacht hatte. Piliso war über Justice im Bilde, denn der Regent hatte Monate zuvor einen Brief geschickt und es so arrangiert, daß er einen Angestellten-Job erhalten sollte, den begehrtesten und am meisten respektierten im Bereich der Mine. Von mir jedoch wußte er nichts. Justice erklärte, ich sei sein Bruder.
    »Ich habe nur Justice erwartet«, erwiderte Piliso. »In dem Brief deines Vaters wird kein Bruder erwähnt.« Er musterte mich ziemlich skeptisch. Justice meinte, dabei könne es sich nur um ein Versehen handeln, und behauptete sogar, der Regent habe inzwischen einen zweiten Brief über mich abgeschickt. Unter Pilisos rauhem Äußeren verbarg sich ein mitfühlender Kern. Er gab mir einen Job als Minenpolizist. Falls ich mich bewährte, sagte er, würde er mir innerhalb von drei Monaten gleichfalls einen Büroposten geben.
    Das Wort des Regenten hatte in den Crown Mines großes Gewicht. Dies traf für alle Häuptlinge in Südafrika zu. Die Minen waren begierig, Arbeitskräfte vom Lande zu rekrutieren, und die Häuptlinge waren es, die über ebenjene Arbeiter Autorität besaßen, die gebraucht wurden. Die traditionellen Führer sollten ihre Untertanen dazu ermuntern, zum Reef zu kommen. Deshalb wurden die Häuptlinge mit großer Achtung und Ehrerbietung behandelt. Wann immer sie einen Besuch abstatteten, sorgten die Mining Houses für eine angemessene Unterkunft. Ein Brief vom Regenten genügte, um einem Mann einen guten Job zu verschaffen, und wegen unserer besonders engen Verbindung zu ihm wurden Justice und ich mit ausgesuchter Zuvorkommenheit behandelt. Wir erhielten freie Verpflegung, Schlafquartiere und ein kleines Gehalt. In der ersten Nacht schliefen wir jedoch nicht in der Baracke. Aus Höflichkeit dem Regenten gegenüber lud uns Piliso ein, die ersten Tage bei ihm zu verbringen.
    Viele der Arbeiter, vor allem jene aus Thembuland, behandelten Justice als Häuptling und begrüßten ihn mit Geldgeschenken, was üblich war, wenn ein Häuptling eine Mine besuchte. Die meisten Männer lebten in derselben Unterkunft, denn Bergarbeiter wurden normalerweise entsprechend ihrer Stammeszugehörigkeit untergebracht. Den Mining Companies war eine solche Trennung nur recht, da sie die verschiedenen ethnischen Gruppen daran hinderte, sich zu einer gemeinsamen Beschwerde zu vereinen, und so die Macht der Häuptlinge verstärkte. Außerdem verursachte die Trennung oft Kämpfe zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen und Clans, welche die Companies nicht tatkräftig verhinderten.
    Justice gab mir etwas von dieser »Beute« und dazu noch einige Pfund extra als Bonus. Während dieser ersten Tage klimperten in meinen Taschen neue Schätze, und ich kam mir vor wie ein Millionär. Ich fing an, mich für einen Glückspilz zu halten: Das Glück leuchtete mir, und hätte ich meine kostbare Zeit nicht damit vergeudet, am College zu studieren, so hätte ich inzwischen ein reicher Mann sein können. Wieder einmal war ich blind dafür, daß das Schicksal emsig dabei war, rund um mich Fallen aufzustellen.
    Ich begann sofort meine Arbeit als Nachtwächter. Ich erhielt eine Uniform, ein Paar neue Stiefel, einen Helm, eine Taschenlampe, eine Pfeife und eine Knobkerrie, einen langen Stock mit einem schwarzen Holzknauf am einen Ende. Der Job war einfach: Ich wartete einfach am Eingang zum Minengelände bei einem Schild, auf dem stand: »Achtung! hier Zutritt für Eingeborene!« und prüfte dann die Ausweise all jener, die kamen oder gingen. Mehrere Nächte lang patrouillierte ich über

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